In der FAZ vom 17.6.2022 mokiert sich Timo Frasch über die mittlerweile kaum noch aufzuhaltende Ausbreitung von Gerundivformen (vulgo: Substantivierung des Partizip Präsens) in der Amts- und Mediensprache. Hintergrund ist die scheinbare Geschlechtsneutralität („der/die/das Studierende“ gegenüber „der Student, die Studentin, das Studentlein“). Heraus kommen dabei Begriffe wie „Radfahrende“ oder „Wählende“.
Wie absurd dies ist, wird an folgendem Beispiel deutlich, das ich auf CTAN („Comprehensive-TEX-Archive-Network“ gefunden habe:
Der Beitragende N.N. ist verstorben.
Ein Beweis für die Unsterblichkeit der Seele? Denn offensichtlich, das ergibt sich jedenfalls aus dem grammatischen Sinn dieser Formulierung, liefert N.N. auch aus dem Jenseits noch fleißig Beiträge. Wir wissen zwar nicht, welches Geschlecht er hatte (wäre er ein Mann gewesen, hätte man ihn ja einfach „Beiträger“ nennen können), aber beitragend ist er immer noch. Ein echter Trost für alle Leidtragenden!
Ich fürchte allerdings, daß die Programmierer hier nur zum falschen Partizip gegriffen haben. Sie wollten eigentlich schreiben:
Der Beigetragenhabende N.N. ist verstorben.
Denn damit wäre sprachlich klar, daß das Ende unserer irdischen Lebens einhergeht mit dem Ende unseres Beitragendenstatus. Der Beitragende wird zum Beigetragenhabenden. So, wie ein Autofahrender, der seinen Führerschein abgibt, zum Autogefahrendenhabenden wird. Oder wie ein Sterbender nach seinem Tod zum Gestorbenseienden mutiert.
Nicht etwa zum Toten oder zur Toten. Das wäre ja sowas von 20. Jahrhundert …
Aber Vorsicht: die deutsche Grammatik steckt voller Tücken. Zwar werden Lehrende werden nach ihrer Pensionierung zu Gelehrthabenden, Studierende jedoch werden nach ihrem Abschluß zu Studierthabenden, nicht etwa zu Gestudierthabenden. Wir werden sicher noch eine Weile brauchen, bis uns das so ganz flüssig und selbstverständlich aus dem Munde und der Feder geht wie, sagen wir, Käsekuchen.