Vorbemerkung

Wenn es um an mich gerichtete Schreiben geht, bin ich an sich nicht besonders eitel. Doch wie alle Menschen kenne auch ich Schmerzgrenzen, die es mir erheblich erschweren, sachlich und unvoreingenommen zu antworten, wenn bestimmte Standards der zivilisierten Kommunikation nicht gewahrt werden. Da ich diese Empfindlichkeit mit vielen anderen Menschen teile, liegt es wohl nicht nur in meinem Interesse, meinen Standpunkt hier darzulegen — in der Hoffnung, daß es dann insbesondere jungen Menschen leichter fällt, ihre Wünsche und Fragen an mich und andere so zu formulieren, daß sie ernstgenommen und positiv beantwortet werden.Im schriftlichen Verkehr mit anderen Menschen gelten andere Regeln als in der mündlichen Kommunikation. Denn hier gibt man dem Adressaten „schwarz auf weiß“, also in einer dauerhaften Form, wichtige Hinweise darauf, welche Art von Kommunikationspartner man sein möchte (und sein kann). Jeder Leser zieht unwillkürlich aus dem Geschriebenen Rückschlüsse auf den Schreiber; das hieraus gewonnene Bild des Schreibers beeinflußt dann die Reaktion des Lesers auf die inhaltlichen Anliegen eines Textes.

Oder kürzer: Ob man geneigt ist, den Inhalt eines Schreibens zu akzeptieren, hängt ganz stark von dessen Form ab. Also tut jeder, der von jemand anderem etwas will, gut daran, die geltenden Schreibkonventionen zu beachten — sonst benachteiligt man sich selbst.
Die folgenden Überlegungen zum Verfassen einer regelkonformen E-Mail sind „guidelines„, wie die legendäre Elizabeth Swann in „Pirates of the Caribbean“ gesagt hätte — man muß sich nicht in jedem Fall wortwörtlich daran halten, aber dem Geiste nach empfiehlt es sich schon.

Richtlinien

Der Betreff

Wählen Sie für Ihre E-Mail einen aussagekräftigen, nicht zu langen Betreff. Wenn es um eine Frist oder einen Termin geht, geben Sie diese(n) im Betreff an.

Die Anrede

  • Streichen Sie „Hallo“ aus Ihrem Wortschatz.
  • Wie heißt Ihr Empfänger vollständig?
  • Haben Sie den Vor- und Zunamen richtig geschrieben?
  • Führt der Empfänger Titel oder akademische Gradbezeichnungen?
  • Für Studierende liegt die Vermutung nahe, daß ihr Adressat promoviert (Dr.) oder gar Professor (einschließlich Juniorprofessoren und Lehrstuhlvertretern) ist. Genannt wird jeweils nur der höchste akademische Grad. Dann lautet die Anredeformel also:

    Sehr geehrte Frau Prof. XY,
    oder:
    Sehr geehrter Herr Prof. XY,
    oder:
    Sehr geehrte Frau Dr. XY,
    oder:
    Sehr geehrter Herr Dr. XY,

    (und keinesfalls: „Prof. Dr. Dr. hc. (Vorname) (Nachname)“).

  • Kennen Sie den Empfänger schon länger und wissen Sie, daß er keinen ausdrücklichen Wert auf eine förmliche Anrede legt?
  • Dann dürfen Sie den akademischen Grad weglassen.

  • Hat der Adressat Ihnen schon einmal geschrieben und Sie dabei mit „liebe/r“ statt „Sehr geehrte/r“ angeschrieben?
  • Dann dürfen Sie es auch mit „Liebe/r“ statt „Sehr geehrte/r“ versuchen. Natürlich verbunden mit „Herr/Frau“ und dem Nachnamen — es sei denn, Sie duzen einander ulkigerweise.

Der Hauptteil

  • Schreiben Sie, worum es Ihnen geht.
  • Fassen Sie sich so kurz, wie es geht — aber lassen Sie natürlich nichts weg, was zum Verständnis Ihres Anliegens logisch notwendig ist.

  • Wenn es Ihnen um eine Frist geht,
  • bis zu der Sie eine Reaktion des Adressaten benötigen, heben Sie dies deutlich hervor und warten Sie damit nicht bis zu Seite 99: Am besten schreiben Sie dies bereits im ersten Absatz.

  • Berücksichtigen Sie die Rechtschreibregeln.
  • Egal, ob alte oder neue Regeln: Versuchen Sie, Fehler zu vermeiden. Besonders lästig sind ausgelassene Kommata, falsche Pluralbildungen („Lexikons“), falsche Unterscheidung zwischen „das“ und „daß/dass“ sowie falsche Satzstellung nach „weil“. E-Mails, in denen „weil“ falsch benutzt wird, schicke ich ungelesen wieder zurück.

  • Schreiben Sie „Sie“, „Ihr“, „Ihre“, „Ihnen“ groß,
  • wenn damit der Adressat gemeint ist. Schreiben Sie auch „Du“, „Dein“, „Dir“, „Dich“, „Ihr“, „Eure“, „Euch“ groß — lassen Sie sich nicht einreden, das dürfe nach den neuen Regeln klein geschrieben werden. „Respekt“ schreibt man ja auch groß.

  • Wenn Sie wollen, daß der Adressat etwas für Sie tut: Bitten Sie ihn darum — er wird es dann um so lieber tun!
    Sehr bewährte und wirksame Zauberformeln sind:

    „Darf ich Sie bitten …“
    „Wäre es Ihnen möglich …“
    „Wäre es Ihnen recht …“
    „Bitte teilen Sie mir mit …“
    „Bitte lassen Sie mich wissen …“
    „Darf ich Sie am … um … in Ihrer Sprechstunde aufsuchen?“
    „Hätten Sie Zeit, …“
    „Wären Sie damit einverstanden …“ usw.

Der Schluß

  • Eine schriftliche Mitteilung endet mit einem Gruß.
    Im deutschen Sprachraum üblich sind Formeln wie:

    Mit freundlichen Grüßen
    oder:
    Mit freundlichem Gruß
    oder etwas bescheidener und daher höflicher als der Plural:
    Freundlich grüßt

    Das Adjektiv „freundlichen/em/“ können Sie durch „besten/em/ens“ ersetzen, wenn Sie den Adressaten schon kennen und ihn immer noch mögen, und mit „herzlichen/em/„, wenn Sie mit ihm schon einmal ein Bier getrunken, einen Kuchen geteilt, Karaoke gesungen oder ein komplettes Hauptseminar durchgemacht haben.

  • Schreiben Sie „Ihr“ oder „Ihre“ nur vor Ihren Namen, wenn Sie den Adressaten schon kennen und Sie wirklich und bald eine Antwort haben wollen.
  • Schreiben Sie unter Ihren Namen Ihre Telefonnummer oder Postanschrift, wenn Sie ganz sicher sein wollen, daß Sie die Antwort auch bekommen.

Die Anlagen

Anlagen sollten Sie in einem Format mitschicken, das den Adressaten nicht überfordert — also weder zu umfangreich (es sei denn, Sie haben vorher geklärt, daß der Adressat Ihre 20-MB-Datei auch empfangen kann und will) noch in ausgefallenen Dateiformaten. Am besten in der Praxis: Schicken Sie PDF-Dateien, die sind auch am sichersten vor Viren geschützt und können von fast jedem Emfänger geöffnet werden, der überhaupt einen Computer besitzt.

Durchschriften

Wenn Sie eine E-Mail nicht nur an den eigentlichen Empfänger richten, sondern per Durchschrift („cc“) auch anderen mitteilen, achten Sie darauf, ob Sie den Empfänger (oder sich selbst) dadurch in eine mißliche Situation bringen könnten. Was Sie mündlich nur unter vier Augen besprechen würden, sollten Sie auch schriftlich nicht unnütz streuen. Fragen Sie den Adressaten vorher, ob er damit einverstanden ist, daß Sie Details aus Ihrer Korrespondenz an andere mitteilen. Auch für Emails gilt das Briefgeheimnis.1

„Weltraumschrott“

Manche E-Mail-Programme sind so eingestellt, daß die Antwortfunktion automatisch den gesamten Vorgang zitiert und mitsendet. Auf diese Weise entsteht eine Art E-Mail-Schleppe, die in den allermeisten Fällen so überflüssig wie Weltraumschrott ist. Vor dem Absenden löschen Sie also bitte diejenigen Teile des Vorgangs, die nicht wiederholt gesendet werden müssen.

Und nun … viel Erfolg beim Schreiben!

Anmerkungen

1 Vgl. OLG Karlsruhe, Beschluß vom 10.1.2005, 1 Ws 152/04.