Das Verhältnis zwischen professionellen Japanologen und der zahlenmäßig viel größeren Gruppe von ehrenamtlichen Japan-Freunden in Deutschland ist nicht immer einfach. Meine persönlichen Erfahrungen sind durchaus gemischt. Man findet darunter wie fast überall, wo Menschen sich im Namen einer guten Sache zusammentun, auch manche Wichtigtuer, Besserwisser, Karrieristen, Lobbyisten und Menschen mit anderen unangenehmen Seiten. Gesa Neuert, die am 25. Juni 2024 im Alter von 68 Jahren nach langer, schwerer Krankheit verstorben ist, zeigte nichts davon. Als gelernte Naturwissenschaftlerin fühlte sie sich auch gegenüber dem von ihr innig geliebten Japan zur Wahrheit verpflichtet. Ihre Solidarität galt dabei immer zuerst den Menschen in Japan, nicht ihrem politischen System. Sie war bescheiden im Auftritt, eine gute Zuhörerin, klug in ihrem Urteil und unermüdlich und selbstlos in dem, was sie auf den Weg brachte.

Und das war eine Menge. Seit 1993, also 31 Jahre lang, war sie im Vorstand der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Bielefeld aktiv. Seit 2015 war sie deren Präsidentin. Acht Jahre lang, von 2003 bis 2011, war sie auch Vizepräsidentin des Dachverbandes der Deutsch-Japanischen Gesellschaften. Aber diese Tätigkeit als Funktionärin hat sie nicht verbogen. Wo auch immer sie in den eigenen Reihen Mißbrauch witterte, etwa bei der Zweckentfremdung von Spenden, pochte sie auf Aufklärung. Denn sie wußte: Nicht ihr eigener Vorteil zählte, sondern die uneigennützige Arbeit an der Verbesserung der deutsch-japanischen Beziehungen.

Bielefeld ist die Heimat der Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Da sich traditionell die japanischen Kaiserinnen besonders für soziale Belange einsetzen, kam es 1993 zu einem Besuch des japanischen Kaiserehepaars Akihito und Michiko in Bethel. Nicht zufällig war dies der Beginn von Gesa Neuerts Mitarbeit im DJG-Vorstand. Zehn Jahre später legte die DJG einen Japanischen Garten in Bielefeld an, auf den Gesa Neuert stets zu Recht stolz war. Als 2009 Kaiserin Michiko eine Ausstellung über Bethel in der Deutschen Botschaft in Tōkyō besuchte, war Gesa Neuert natürlich dabei.

Wir lernten einander nach der nuklearen Erdbebenkatastrophe von Fukushima von 2011 kennen. Frau Neuert gründete damals das Deutsch-Japanische Synergie-Forum Sanriku Fukkō, organisierte Hilfslieferungen, fuhr nach Japan, um mit japanischen Partnern und Verwaltungen den Wiederaufbau zu diskutieren, und setzte ihre weitverzweigten Beziehungen ein, um effizient und nachhaltig zu helfen. Daraus entstand die Tradition von Sommerschulen im Nordosten Japans mit deutschen und japanischen Studenten.

Gesa Neuert erhielt für ihr langjähriges Engagement 2021 vom japanischen Staat den Orden der Aufgehenden Sonne verliehen. Ich durfte die Laudatio auf sie halten. Schon damals war sie krank, aber optimistisch und frohgemut, wie ich sie eigentlich immer erlebt habe. Und wie ich sie in dankbarer Erinnerung behalten werde. Möge sie vielen als Vorbild dienen.

Das Beitragsbild (Foto: privat) zeigt Gesa Neuert mit dem damaligen japanischen Generalkonsul in Düsseldorf, Iwama Kiminori, bei der Ordensverleihung 2021.