Wegen verheerender Schneefälle sind Ende Januar zahlreiche Volkschinesen auf den chinesischen Autobahnen und in Eisenbahnzügen steckengeblieben: Das östliche China wurde von extremen Winterstürmen heimgesucht (wie man auch auf Satellitenfotos sehen kann, die dem Wort vom „roten China“ eine ganz neue Bedeutung verleihen). Selbst die Wirtschaft leidet unter dem absonderlichen Wetter.
Aber warum waren gerade jetzt so viele Chinesen unterwegs?
Weil sie nach Hause oder zu ihren Verwandten wollten, um dort das Neujahrsfest nach dem alten lunisolaren Kalender zu feiern. Das fällt, wie berichtet, 2008 auf den 7. Februar.
Bei dem Versuch, das chinesische Schneechaos auf japanisch zu bedenken, stolperte ich über eine Merkwürdigkeit; genauer gesagt: über ein Schriftzeichen. Die in Not geratenen Chinesen waren unterwegs in ihre Heimatprovinzen (省), sie befanden sich auf der Heimreise (帰省). Bisher hatte ich immer gedacht, daß 省 in beiden Wörtern dasselbe bedeutet, daß 帰省 also „in die (Heimat-)Provinz zurückkehren“ bedeutet.
Falsch. Lexikalisch falsch, und auch phonetisch falsch. Dieses Schriftzeichen spielt nämlich doppelt. Das erste 省 wird auf japanisch shō ausgesprochen; das zweite aber sei. „Provinz“ lautet also shō, „zurückkehren“ aber kisei (suru). Und je nach Aussprache bedeutet 省 auch etwas ganz anderes. Was damit zusammenhängt, daß dieses Schriftzeichen auch im Chinesischen zwei unterschiedliche Lesungen hat, die beide Bedeutungscluster säuberlich auseinanderhalten. In der Übersicht sieht das so aus:
Das „doppelte“ Schriftzeichen 省 | |||
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chinesische Lesung | japanische Lesung | Bedeutungen | Beispiele |
xĭng (shing3) | sei | betrachten, einsehen, besichtigen, besuchen | 反省 Einsicht, Reue; 帰省 Besuch in der Heimat | shĕng (shëng3) | shō | sparen, kürzen, Ministerium, Provinz | 省エネ Energie-Einsparung; 省略 Abkürzung; 財務省 Finanzministerium; 江南省 Provinz Henan |