Am 25.5.2015 haben 16 japanische Vereinigungen von Historikern, die insgesamt fast 7.000 Mitglieder vertreten, eine gemeinsame „Erklärung zur ‚Trostfrauen‘-Frage“ (「慰安婦」問題に関する声明) veröffentlicht. Im folgenden gebe ich sie in meiner deutschen Übersetzung wieder:

Anläßlich des Widerrufes von Zeitungsartikeln in der „Asahi Shinbun“ vom August 2014 finden sich bei einem Teil der Politiker und der Medien Äußerungen, als sei damit die Tatsache, daß die japanische Armee „Trostfrauen“ zwangsweise eingesetzt hat, nicht mehr aufrechtzuerhalten. Wir als Verbände der japanischen Geschichtswissenschaft und der historischen Bildung weisen gegenüber dieser falschen Meinung auf die folgenden drei Punkte hin.

1. Die von der japanischen Regierung abgegebene Stellungnahme, welche die Beteiligung der japanischen Armee an der Zwangsrekrutierung von „Trostfrauen“ zugegeben hat (Kōno-Erklärung), fußt nicht auf den betreffenden Artikeln oder den Aussagen des Yoshida Seiji, auf die jene sich stützten. Deshalb wurde mit dem Widerruf der Artikel keineswegs der Kōno-Erklärung die Grundlage entzogen. Die Existenz von zwangsrekrutierten „Trostfrauen“ wurde bisher durch zahlreiche Quellen und Forschungen bewiesen. Zwangsrekrutierung darf dabei nicht auf Fälle beschränkt werden, in denen sie mit Gewalt verschleppt wurden (nachgewiesen für Semarang[1] in Indonesien und Shandong in China, doch auch für die koreanische Halbinsel existieren zahlreiche Belege). Sie muß auch so verstanden werden, daß sie Fälle einschließt, in denen die Rekrutierung dem Willen der Betroffenen zuwiderlief (nachgewiesen in vielen Regionen, angefangen von der koreanischen Halbinsel).

2. Die Frauen, welche als „Trostfrauen“ behandelt wurden, erlitten als Sexsklavinnen unbeschreibliche Gewalt. Neuere Forschungen haben klargestellt, daß die Gewalt sich nicht nur auf den Mobilisierungsprozeß bezog, sondern daß die mobilisierten Frauen sich in der Lage von Sexsklavinnen befanden, deren Menschenrechte mit den Füßen getreten wurden. Darüberhinaus wird auch auf die Verbindung von „Trostfrauen“-System und alltäglicher kolonialer Herrschaft und den Strukturen der Diskriminierung verwiesen. Selbst wenn ein Vertrag zur sexuellen Prostitution vorlag, existierten in seinem Hintergrund Strukturen von Ungleichheit und Ungerechtigkeit, und diese politischen und gesellschaftlichen Hintergründe zu abstrahieren hieße, seine Augen von dem Gesamtbild dieser Frage abzuwenden.

3. Wegen der Berichterstattung in einem Teil der Medien, welche die „Falschmeldungen“ [der Asahi Shinbun] besonders betonte, haben gegen Mitglieder von Universitäten, die sich mit der „Trostfrauen“-Frage befassen, sowie gegen ihre Institutionen ungerechtfertigte Angriffe stattgefunden, z.B. Erpressungen, die Amtsniederlegung und Einstellung von Lehrveranstaltungen verlangten. Dies ist ein Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft und muß entschieden zurückgewiesen werden.

Wenn ein Teil der Politiker und Medien diese unverantwortliche Haltung gegenüber der „Trostfrauen“-Frage der japanischen Armee, welche die Tatsachen ignoriert, weiterhin einnimmt, ist dies damit gleichzusetzen, daß Japan international erklärt, die Menschenrechte nicht achten zu wollen. Zudem tritt diese Haltung die Würde der Opfer des Systems sexueller Sklaverei der japanischen Armee erneut mit Füßen. Jetzt ist erforderlich, wie es auch in der Kōno-Erklärung heißt, mit Hilfe von historischer Forschung und Bildung diese Frage im Gedächtnis zu verankern und eine Haltung einzunehmen, die diesen Fehler nicht wiederholt.

Wir fordern von den betroffenen Politikern und Medien erneut, sich den Tatsachen der Untaten in der Vergangenheit sowie ihren Opfern aufrichtig zu stellen.


Anmerkungen von Reinhard Zöllner

[1] Von März bis Mai 1944 betrieb die japanische Armee in Semerang auf der Insel Java vier Militärbordelle, für die europäische Frauen (darunter Kinder und verheiratete Frauen) unter Androhung und Anwendung von Gewalt aus den Internierungslagern der holländischen Zivilbevölkerung verschleppt wurden. S. Yamamoto, Mayumi: „Whispers and Gazes: A Postscript to the Semarang Comfort Women Incident“. In: Journal of Asia-Pacific Studies 2012:3 Bd. 18. , S. 193–201.