Unter einem Bauernopfer versteht — wie inzwischen alle Welt weiß — die Plagiatsforschung eine „Fußnote zu einem unbedeutenden Teil eines Originaltexts, größere Abschnitte aus demselben ohne Zitatnachweis übernommen.“ Wie so etwas aussieht, mag folgendes Beispiel illustrieren:


Original


Die Staatsverschuldung war nach dem ersten Ölschock wegen immer neuer Staatsanleihen dramatisch gestiegen. Die Handelsüberschüsse ergaben sich zu einem Gutteil durch die Abwertung des US-Dollars, der nach dem Plaza-Abkommen von 240 Yen im Jahr 1985 auf 120 Yen 1987 fiel. Die japanische Exportwirtschaft geriet nun in höchste Nöte; die weltweite Nachfrage ließ nach, Überkapazitäten entstanden. Statt in die Produktion floss das Kapital in Aktien- und Immobilienspekulationen. (…) Die Bank von Japan wollte inländische Investitionen fördern und ging deshalb zu einer Politik des lockeren Geldes über; sie senkte den Diskontsatz 1987 auf 2,5 %. Geld war überall zu haben, zugleich wurde das Land mit auf Kredit und in der Hoffnung auf ewig steigende Aktienkurse und Grundstückpreise finanzierten Großbauten überzogen.

(Reinhard Zöllner: Geschichte Japans. Von 1800 bis zur Gegenwart. 1. Aufl., Paderborn 2006, S. 418)


Kopie


Japans Staatsverschuldung war nach dem ersten Ölschock wegen immer neuer Staatsanleihen dramatisch gestiegen, die Handelsüberschüsse ergaben sich aber vor allem durch die Abwertung des US-Dollars, der nach dem Plaza-Abkommen von 240 Yen (1985) auf 120 Yen (1987) fiel. Das wirkte sich negativ auf die Exportwirtschaft aus, die Nachfrage ging zurück und Überkapazitäten entstanden. Kapital wurde vermehrt in Aktien und Immobilien angelegt (vgl. Zöllner 2006). Zur selben Zeit wurden die Zinsen gesenkt, um die Binnennachfrage zu erhöhen und die erleichterte Versorgung von inländischem Kapital führte zu einer Erhöhung der Investitionen in Grundstücke und Aktien.

(Aufsatz in einer wirtschaftswissenschaftlichen Zeitschrift in einem renommierten deutschen Fachverlag, 2011)


(Fett gesetzt sind alle direkten Übernahmen aus meinem Text.)

— Ehrlich gesetzt: Ich finde meinen Text besser. —

Nun zur Frage, wo das Bauernopfer hier versteckt ist. Mein Buch wird ja genannt, wenngleich ohne Seitenangabe und ohne die Anführungsstriche, die sich mindestens in den ersten Zeilen unbedingt gehört hätten. Das eigentliche Problem ist das „vgl.“ in der Quellenangabe. Denn der Hinweis „vergleiche“ suggeriert im ordentlichen wissenschaftlichen Sprachgebrauch, daß die Referenz die eigenen Argumente stützt. In diesem Fall offenbart der Vergleich jedoch, daß dies nicht der Fall ist, weil es sich um ein verkapptes Zitat handelt. Wenn B eine Kopie von A ist, dann ist es aber sinnlos, B mit A zu vergleichen. In diesem Fall enthält die Kopie nicht einen einzigen eigenen Gedanken.

Was wäre also die korrekte Lösung gewesen?

Natürlich eine wörtliche Übernahme, durch Anführungszeichen gekennzeichnet und mit einer exakten Seitenangabe.

Nebenbei bemerkt und passend zur Jahreszeit: Ich verstecke in meinen Büchern Ostereier. Was das bedeutet, verrate ich hier nicht …

Übrigens erscheint die dritte Auflage der „Geschichte Japans“ am 15. Mai im Buchhandel. Sie enthält (neben neuen Ostereiern) eine Fortschreibung der japanischen Geschichte seit 2005 und natürlich eine Darstellung der Ereignisse am und nach dem 11.3.2011. Alle potentiellen Plagiatoren fordere ich hiermit auf, nur noch aus dieser Ausgabe zu zitieren.