Am 8.5.2009 erschien folgender Comic-Strip der beliebten Dilbert-Serie, in dem ein ziemlich quälendes Problem der heutigen Lehre (an Schulen wie Universitäten) aufgegriffen wird:

Dilbert und Wikipedia
Dilbert und Wikipedia

In der Tat: Glaubwürdigkeit, Qualitätssicherung, Seriosität — das sind die Hauptprobleme von Wikipedia. Darf man Wikipedia also in studentischen Arbeiten (oder im Unterricht) nicht zitieren?
Als das Historische Institut des Middlebury College in Vermont Anfang 2007 seinen Studierenden verbot, in Hausarbeiten oder Prüfungen sich auf Wikipedia zu berufen, war der Anlaß dafür eine Prüfung in japanischer Geschichte. Statt ein ordentliches Lehrbuch zu lesen, hatten sich die Prüflinge mit Hilfe von Wikipedia-Einträgen vorbereitet — und machten derart haarsträubende Fehler, daß die Historiker beschlossen, Wikipedia zum Schutz der Studenten vom Campus zu verbannen.

Muß man so weit gehen? In der Schweiz hat es dazu 2007 eine wissenschaftliche Tagung gegeben, die sich sehr intelligent und differenziert mit Wikipedia und den gängigen, als zitierbar angesehenen Alternativen auseinandergesetzt hat. Trotzdem kommt Dominik Landwehr in seinem Bericht zum Schluß, daß es nur scheinbar hilft, anderen, „seriösen“ Quellen den Vorzug zu geben:

Gesichertes Wissen ist allerdings letztlich auch hier nicht zu finden, denn dies existiert schlicht nicht.

Das ist schon einmal eine wichtige Erkenntnis: Auch gedruckte Lexika, ja sogar Lehrbücher wie meines und auch Monographien sind nicht frei von Irrtümern. Jeder weiß das, der schon einmal ein Buch geschrieben hat. Sie genießen allerdings den Vertrauensvorschuß, den wir Werken zugestehen, die in einem nach den Regeln der wissenschaftlichen Kunst entstandenen Publikationen zugestehen. Diese Regeln gelten für ein Online-Projekt wie Wikipedia offensichtlich nicht, denn dort kann jeder — aus welchen Motiven und mit welcher fachlichen Vorbildung auch immer — herumschreiben.
Tatsächlich ärgere ich mich über viele aus meiner Sicht fehlerhaften und irreführenden Einträge in Wikipedia, gerade, was die japanische Geschichte angeht. Ein paar Sachen habe ich bisher zu verbessern versucht, aber alles kann man nicht sehen — zumal es Zeit kostet. Doch außer Schwachstellen besitzt Wikipedia auch unübersehbare Stärken:
Man findet dort oftmals auch Hinweise auf Dinge, die in „seriösen“ Enzyklopädien im westlichen Sprachraum bislang nie Aufnahme gefunden hätten, weil sie sich den Lesern von Brockhaus, Meyer oder auch der British Encyclopedia schlicht nicht hätten verkaufen lassen können — gerade zu Japan und zur japanischen Geschichte. Das ist oft recht simpel und manchmal nachgerade falsch, aber immerhin ein erster Wegweiser zu weiteren Recherchen.
Die zweite große Stärke der Wikipedia ist die Mehrsprachigkeit. In den besseren Fällen findet man zur selben Sache Artikel in der englischen, deutschen, japanischen, französischen usw. Ausgabe, die eben nicht nur einfach Übersetzungen aus dem Englischen sind, sondern sehr unterschiedlich an die Sache herangehen und unterschiedliche Perspektiven, Informationen und Quellen berücksichtigen. Beim Lesen der Wikipedia würde ich grundsätzlich empfehlen, eben nicht nur die muttersprachliche Ausgabe zu konsultieren, sondern so viel wie möglich auch in den anderen angebotenen Sprachen zu recherchieren. Gerade wer Japanologie studiert, findet hier Bemerkenswertes.

Zitierbar oder nicht? Das ist die falsche Frage. Brauchbar oder nicht, nämlich: zum Weiterdenken, Weitersuchen — darum geht es.
Das ist auch die Meinung von Martin Haase und Rüdiger Weiss, die 2006 einen sehr empfehlenswerten Leitfaden zum wissenschaftlichen Umgang mit Wikipedia veröffentlicht haben und deren Fazit völlig zurecht lautet:

Wir gehen davon aus, dass die Wikipedia durchaus zitierbar ist –- nicht, um sich weitere Recherchen zu ersparen, sondern als Quelle des Wissenskonsens. Mit der Wiedergabe von Wikipedia-Inhalten ist es in einer wissenschaftlichen Arbeit natürlich nicht getan, denn Erkenntnisgewinn muss immer jenseits des Wissenskonsens‘ liegen. (…) Die Recherche muss also weitergehen, denn was in der Wikipedia steht, ist ohnehin bekannt.