Als Jugendlicher begann ich damit, in einem Blumentopf einen Zitronenbaum aus einem Kern zu ziehen. Er gedieh prächtig und brauchte immer größere Töpfe als Unterkunft. Nur hat er nie geblüht. Während ich als Student in Japan war, übergab ich ihn der Familie zur Pflege. Leider ging da etwas schief, und ich sah ihn nie wieder.
Der palästinensische Regisseur Elia Suleiman (geb. 1960) hat 2019 ein solches Eigengewächs zum Gegenstand seines Filmes Vom Gießen des Zitronenbaums (im Original It Must be Heaven) gemacht. Darin wird geschildert, wie ein in Nazareth lebender palästinensischer Regisseur (von Suleiman selbst gespielt) vergeblich versucht, Menschen in Paris, New York und Montreal davon zu überzeugen, einen von ihm konzipierten Film über Palästina zu finanzieren. Er gerät dabei in grotesk anmutende Szenen, in denen es immer wieder um Fragen der Identität geht. Genauer gesagt: Ihm wird immer wieder eine Identität unterstellt, ohne daß er sich dazu äußern könnte.
Eine der witzigsten Szenen dieses Film ist die kurze Zufallsbegegnung mit einem japanischen Paar in Paris. Sie findet – kein Zufall – vor einer Buchhandlung mit dem Namen L’Humaine Comédie statt. Auch diese Buchhandlung, die tatsächlich in der Rue de Louvois 8 in Paris liegt, ist in Wirklichkeit (was der Zuschauer allerdings nicht erfährt) nicht das, was sie zu sein vorgibt: Heutzutage ist sie ein Frisiersalon, der von einem japanischen Coiffeur namens Yuji betrieben wird. Insofern der perfekte Schauplatz für die dort gedrehte menschliche Komödie. Die beiden Japaner (gespielt von der Schauspielerin Narita Yumi 成田結美 und dem in Frankreich lebenden Musiker Saitō Kengo 齋藤研吾) fragen den verblüfften Palästinenser auf englisch und japanisch, ob er die von ihnen gesuchte „Brigitte“ sei. Der Regisseur geht wortlos weiter, wendet sich den beiden aber immer wieder zu und zeichnet somit das tragische Scheitern, aber auch die immer wieder aufkeimende Hoffnung auf Verständigung nach. Zur Blüte kommt diese Hoffnung leider ebensowenig wie mein Zitronenbaum.
Der gesamte Film ist sehenswert, aber für Japanologen ist diese Szene natürlich von besonderem Interesse.
Beitragsbild: Pablo Picasso (1881–1973): Fleurs et Citrons (1941). Öl auf Leinwand. Sammlung Bührle, Kunsthaus Zürich. Foto: Reinhard Zöllner