Vor dem 1993 gegründeten städtischen Museum für Erziehung Seoul steht seit 2019 eine Fotowand, auf der man sich unter fähnchenschwenkende Koreaner einreihen und mit ihnen Manse! (also auf japanisch Banzai!) rufen kann. Denn das taten Hunderttausende Koreaner während der Unruhen von 1919, als sie die Unabhängigkeit ihres Landes von Japan forderten. Die Fotowand gibt ihren Nachkommen Gelegenheit, in ihre Rolle zu schlüpfen. Solche Fotowände gibt es in Korea öfter, beispielsweise in der Gedenkstätte für die April-Bewegung, wo man sich unter die „Brüder“ — also die damals gegen die Staatsmacht rebellierenden Schüler und Studenten — einreihen darf. Auf diese Weise verbindet man Patriotismus mit seinem eigenen Gesicht. Ein solches Foto ist ein Bekenntnis zur eigenen Nation und ihrer Geschichte.
Noch etwas neuer ist der Ansatz, das eigene Gesicht in die nationale Geschichte wortwörtlich einzutauchen. Verwirklicht wurde er von den Herstellern eines preisgekrönten südkoreanischen Gesichtswassers mit dem stolzen Namen Dokdo Toner 1025. Der „Toner“ wird aus Tiefseewasser aus der Umgebung der zwischen Korea und Japan umstrittenen Liancourt-Felsen hergestellt (auf den Felsen selbst gibt es kein Wasser, also handelt es sich um Meerwasser). Das Etikett zeigt die beiden Felsen als Silhouette, gekrönt mit der südkoreanischen Flagge. Der einzige englische Text auf dem Etikett lautet:
Dokdo is our territory.
Das fügt der patriotischen Bildung eine ganz neue Dimension hinzu, denn diese kreative Art von Kosmetik wendet sich an junge Menschen, die man über die üblichen Wege wie Schulbücher oder aufklärerische Filme nur schwer erreichen kann. Für die etwas reifere Bevölkerung gibt es dann allerdings auch die Möglichkeit, sich den Patriotismus nicht nur äußerlich aufzutragen, sondern regelrecht einzuverleiben: Soju, also Schnaps, aus Dokdo-Tiefseewasser, schön versehen mit den Koordinaten der Fundstätte. Immerhin 17,3 % Alkohol. An Patriotismus kann man sich gut berauschen.