Am 6. Juli 2013 verunglückte eine Boeing-777 der südkoreanischen Fluggesellschaft Asiana beim Landeanflug auf den Flughafen San Francisco. Mehrere chinesische Jugendliche, die während der Sommerferien an Sprachkursen in den USA teilnehmen wollten, kamen dabei ums Leben; viele weitere wurden verletzt.
Die Untersuchungen über die Ursache des Unglücks konzentrieren sich auf die beiden Flugzeugführer. Am Steuer der Maschine saß Yi Kang-Kuk (geb. 1967), neben ihm Yi Jung-Min (geb. 1964), der als sein Ausbilder fungierte.

Im weltweiten Vergleich gilt, daß die Unfallraten ostasiatischer Flieger im Mittelfeld liegen (die Bilanz chinesischer, taiwanischer, europäischer und nordamerikanischer Gesellschaften ist besser).

IATA-Unfallquotienten nach Regionen

Quelle: IATA, Stand: 30.4.2013. "Nordasien" umfaßt VR China, Hong Kong, Macao, Taiwan, Mongolei und Nordkorea. Südkorea und Japan gehören zu "Asien-Pazifik".
Region20062007200820092010201120122013
Afrika4.314.092.129.947.413.273.710.00
Asien-Pazifik0.672.760.580.860.800.250.480.71
Rußland/GUS8.600.006.430.000.001.060.002.94
Europa0.320.290.420.450.450.000.150.00
Lateinamerika1.801.612.550.001.871.280.420.00
Mittlerer Osten/Nordafrika0.001.081.893.320.722.020.000.00
Nordamerika0.490.090.580.410.100.100.000.30
Nordasien0.000.880.000.000.340.000.000.00
Industrie0.650.750.810.710.610.370.200.30

Es handelt sich um den dritten Asiana-Unfall seit 1993, der mit dem Verhalten der Piloten in Zusammenhang gebracht wird. Im Kreise professioneller Piloten wird inzwischen auch darüber debattiert, ob das Desaster auf unternehmenskulturelle Ursachen zurückzuführen sei. Das Stichwort hierfür lautet CRM, Crew Ressource Management (Schulung zur Kommunikation unter Besatzungsmitgliedern).

Verwundert registriert die US-amerikanische Öffentlichkeit, wie viel Zeit sich das Management von Asiana für öffentliche Stellungnahmen nimmt. Innerhalb Koreas gab es zwar einige Pressemitteilungen, doch weigerte sich Asiana, eine eigene Pressekonferenz für ausländische Medien zu geben. Erst drei Tage nach dem Unglück begaben sich Mitglieder der Geschäftsführung an den Unfallort. Das Wall Street Journal nannte die Reaktion des Unternehmens „langsam“ und schädlich für sein Unternehmen bei westlichen Kunden. Asiana, das bislang von größeren Unfällen weitgehend verschont geblieben ist, sei offenbar „auf dem falschen Fuß erwischt“ worden.

Damit steht Asiana nicht allein. Ein Nachrichtensprecher des südkoreanischen Privatfernsehsenders Channel A rief massive Proteste bei koreanischen Zuschauern und chinesischen Medien hervor, als er die Unglückmeldung kommentierte: „Wir haben gerade die Meldung erhalten, daß die zwei Toten vermutlich Chinesen sind … Wir dürfen sagen, daß dies zumindest für uns eine Erleichterung ist.“ Der Sender entschuldigte sich später dafür, daß die Sendung nicht „rund“ gelaufen sei.

Das Wall Street Journal merkte an, fast alle südkoreanischen Medien hätten Mut und Professionalität der koreanischen Besatzung gelobt; nur eine einzige Tageszeitung hätte in ihrer Schlagzeile die geringe Erfahrung des Piloten hervorgehoben.

Diskutiert wird unter Experten, daß koreanische Fluggesellschaften häufig ehemalige Luftwaffenpiloten rekrutieren, deren Umgang mit Krisensituationen markant anders ausfällt als bei Piloten mit zivilem Hintergrund: sie neigen zu raschen, riskanten und einsamen Entscheidungen. Daß der ausbildende Kopilot erst sehr spät versuchte, den zu langsamen und zu steilen Anflug zu korrigieren, versucht ein Experte mit Hintergrundwissen aus der koreanischen Zivilluftfahrt zu erklären: Der Pilot und sein Ausbilder (der Kopilot) seien beide Absolventen der Korea Aerospace University, doch der Pilot stamme aus einer höheren Abschlußklasse. Anders gesagt: die beiden Piloten befanden sich in einer Sŏnbä-Hubä-Beziehung 先輩後輩 (jap. Senpai-Kōhai). Diese Begriffe werden benutzt

to automatically establish a type of superior-inferior relationship based on the year a person entered school or joined a company. This form of address simply does not exist in China. It is very likely that this type of „Senior/Junior“ type of usage was exported to Korea from Japan. Be that as it may, the practice is now firmly rooted on the Korean peninsula.

(Kaku Sechiyama: Patriarchy in East Asia: A Comparative Sociology of Gender, Brill 2013, S. 169)
Wenn zwischen den beiden Piloten eine solche Beziehung tatsächlich bestanden haben soll, dann — so die Hypothese — wäre es für den Kopiloten trotz seiner Rolle als Dienstvorgesetzter außerordentlich schwierig gewesen, einen Fehler des Piloten wegen dessen Seniorität zu kritisieren und auszugleichen.

In den Worten eines der Experten, die sich mit dem Unfall auseinandersetzen:

I have flown in Korea and am aware of Asiana’s different attitude towards CRM and other safety issues. I flew with some really competent and modern first officers and met some great captains. From what I could tell, some of the rest would risk 307 lives in a heartbeat rather than break their nationally entrenched seniority code.