Als Anno Hideaki 庵野秀明 1995 die Zeichentrick-Serie Neon Genesis Evangelion 新世紀エヴァンゲリオン schuf, war ihm wohl schon bewußt, was seinem Japan am meisten fehlte: zornige junge Männer und Frauen, die in der Lage wären, Japan vor diversen Kalamitäten zu retten … Und daß diese Rettungsaktion sicher nicht so einfach werden würde, war ihm auch klar. Entsprechend ambivalent ist der Held der Serie, Ikari Shinji 碇シンジ, dann auch ausgefallen. Statt einfach nur „der Anker“ (ikari) zu sein, an den sich der auf Erlösung hoffende Rest der Welt klammern kann, ist Shinji ein von Selbstzweifeln geplagter, höchst verunsicherter, pubertierender Junge, der auf der Suche danach ist, was er ist, was er kann und was er werden soll.
Die Serie ist bis heute weltweit beliebt, und mit ihr Shinji. Neulich erstand ich in einem Manga-Spezialgeschäft ein Cell (also den Träger einer Bildschicht für die Aufnahme eines Anime) mit einem Porträtbild dieses für viele zum Identifikationsobjekt gewordenen Heroen. Es zeigt einen zornigen Shinji, und das paßt wieder ganz gut, denn ikari 怒り bedeutet auch „Zorn“. Zum Cell gehört auch die Skizze nebst Kolorierungsanweisungen. Für die einzelnen Bildteile sind darin die Farben aus der für diesen Anime verwendeten Skala notiert.
Insgesamt eine hübsche Studie über die Konstruktion eines modernen Helden. Eine Medien-Geschichte und zugleich — angesichts der überall erkennbaren intellektuellen Qualität von Annos Werk — ein Stück japanischer Geistesgeschichte des späten 20. Jahrhunderts.