Als Historiker und Japanologen drücken wir unsere Bestürzung darüber aus, daß die japanische Regierung seit kurzem versucht, Feststellungen in Geschichtslehrbüchern in Japan und anderswo über die euphemistisch so genannten „Trostfrauen“ zu unterdrücken, die während des Zweiten Weltkriegs im Dienst der japanischen Armee unter einem brutalen System sexueller Ausbeutung gelitten haben.

Historiker debattieren darüber, ob die Zahl der ausgebeuteten Frauen im Bereich von Zehntausenden oder Hundertausenden lag und welche Rolle das Militär bei ihrer Rekrutierung genau spielte. Doch die sorgfältigen Recherchen des Historikers Yoshiaki Yoshimi in japanischen Regierungsarchiven und die Zeugnisse von Überlebenden aus ganz Asien haben jeden Zweifel an den grundsätzlichen Zügen eines Systems, das staatlich geförderter sexueller Sklaverei gleichkam, beseitigt.

Als Teil ihrer Bemühungen, die patriotische Erziehung zu fördern, stellt die gegenwärtige Regierung von Ministerpräsident Shinzō Abe die gültige Geschichte der Trostfrauen buchstäblich infrage und versucht, ihre Erwähnung in Schulbüchern zu unterbinden. Einige japanische Politiker haben legalistische Argumente entwickelt, um die Verantwortlichkeit des Staates zu leugnen, während andere die Opfer verhöhnt haben. Rechtsextreme bedrohen Journalisten und Wissenschaftler, die das System und die Geschichten seiner Opfer dokumentiert haben, und schüchtern sie ein.

Wir erkennen an, daß nicht nur die japanische Regierung versucht, Geschichte zu ihrem eigenen Nutzen zu erzählen. In den Vereinigten Staaten haben Staatsparlamente und lokale Schulbehörden versucht, Schulbücher umzuschreiben und Lehrpläne zu entwickeln, die „unpatriotische“ Bezüge auf den Vietnamkrieg auslöschen sollen. 2014 verabschiedete Rußland ein Gesetz, das die Verbreitung von aus der Sicht der Regierung falschen Informationen über sowjetische Aktivitäten im Zweiten Weltkrieg unter Strafe stellt. In diesem Jahr, der 100. Wiederkehr des Völkermords an den Armeniern, wurde ein türkischer Bürger ins Gefängnis gesteckt, weil er daran festhielt, daß die Regierung dafür Verantwortung trug. Die japanische Regierung zielt jetzt jedoch auf die Arbeit von Historikern im In- und Ausland.

Am 7. November 2014 beauftragte das japanische Außenministerium sein New Yorker Generalkonsulat, den Verlag McGraw-Hill zu bitten, die Beschreibung von Trostfrauen in seinem Lehrbuch der Weltgeschichte „Traditions and Encounters: A Global Perspective on the Past“ zu korrigieren, das von Herbert Ziegler und Jerry Bentley verfaßt wurde.

Am 15. Januar 2015 berichtete das Wall Street Journal, im vergangenen Dezember habe ein Treffen zwischen japanischen Diplomaten und Vertretern von McGraw-Hill stattgefunden. Der Verlag lehnte das Ansinnen der japanischen Regierung ab, zwei Absätze zu streichen, und stellte fest, daß Wissenschaftler die historischen Fakten über die Trostfrauen festgestellt haben. Wir unterstützen den Verlag und stimmen dem Verfasser Herbert Ziegler darin zu, daß keine Regierung das Recht haben soll, die Geschichte zu zensieren. Wir stehen an der Seite der vielen Historiker in Japan und anderswo, die daran gearbeitet haben, die Fakten über dieses und andere Vergehen des Zweiten Weltkriegs ans Licht zu bringen.

Wir üben und schreiben Geschichte, um aus der Vergangenheit zu lernen. Deshalb stellen wir uns gegen die Anstrengungen von Staaten oder Gruppen mit Sonderinteressen, Verleger oder Historiker unter Druck zu setzen, damit sie die Ergebnisse ihrer Forschungen politischen Zwecken anpassen.

Diese Erklärung folgt in Wortlaut und Absicht der Erklärung US-amerikanischer Historiker vom Februar 2015.

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NameOrt/InstitutionKommentar
Prof. Dr. Reinhard ZöllnerUniversität Bonn
Paul SchneissHeidelberg, Deutsche Ostasienmission
Prof. em. Dr. Ilse LenzRuhr-Universität Bochum
Dr. Johannes WilhelmUniversity of Vienna
Aleksandra ZehnerMünchen
Karin SchulzBerlin
Sven Hansentaz, Berlin
Prof. em. Masako SugitaniKansai Universität, Osaka
Dr. Bernhard ScheidWien, Österreichische Akademie der Wissenschaften
apl. Prof. Dr. ingrid FritschUniversität Köln
Prof. Dr. Steffi RichterUniversität Leipzig, JapanologieDie seit Monaten zu beobachtenden neuerlichen geschichtsrevisionistischen Aktivitäten der Abe-Regierung - sekundiert von "altbekannten" zivilgesellschaftlichen Kräften (Journalisten, Medienvertretern, Wissenschaftlern) - ähneln denen von vor einem reichlichen Jahrzehnt. Tatsächlich sind sie nie versiegt, nun aber scheinen sie eine noch aggressivere Stoßrichtung insbesondere nach außen zu verfolgen. Gemeinsam mit gewissenhaften Kollegen aus Japan/Ostasien, den USA und anderen Ländern bleibt also die Aufgabe aktuell, den vor allem (aber nicht nur) in Schulbüchern ausgetragenen Streit um historische Wahrhaftigkeit fortzuführen.
Prof. Dr. Irmela Hijiya-KirschnereitFreie Universität Berlin
Kenji-T. NishinoUniversität Bonn
Dr. Maik Hendrik SprotteHalle/SaaleOb die Geschichte ein Bereich ist, aus dem man lernen kann, ist sicher zweifelhaft. Im Zentrum meiner historischen Forschung steht vielmehr die Absicht des Verstehens. Dies allein ist ein ausreichend großes Vorhaben. Diese einschränkende Anmerkung zum letzten Absatz der Erklärung ändert aber nichts an meiner Überzeugung, daß eine regierungsseitige Einflußnahme auf Geschichtsschreibung in jeglicher Form abzulehnen ist. Allein dieses Beispiel macht dann geschichtspolitisch geradezu dankbar für die Position des Tennô, wie sich in seiner - wenn auch verfassungsgemäß verklausulierten - Neujahrsansprache 2015 ausdrückte.
Gesa NeuertDeutsch Japanisches Synergie Forum Sanriku Fukkou e.V.
em. Prof. Dr. Wolfgang SeifertHeidelberg / Institute of Japanese Studies / Centre for East Asian StudiesBesonders wichtig ist, dass die amerikanischen Kollegen ähnliche Versuche von Staatsparlamenten und offiziellen Stellen in den USA erwähnt haben, durch die ein Teil der Geschichte der USA verbogen werden soll.
In Europa gibt es auch in Staaten des ehemaligen sowjetischen Blocks ebenfalls Versuche, die Geschichte der eigenen Nation zu einer reinen Heldengeschichte umzudeuten. Selbstbezogenheit, Engstirnigkeit und das Ausklammern dunkler Seiten der Geschichte der eigenen Nation können jedoch nirgendwo als Basis zwischenstaatlicher und zwischengesellschaftlicher Beziehungen dienen.
Prof. Dr. Klaus VollmerJapan-Zentrum, LMU München
Felix JawinskiUniversität Leipzig
Dr. Reika HaneFreie Universität Berlin
Prof. Dr. Christian UhlGhent University, Belgium
Prof. Dr. Anton SchweizerTulane University, New Orleans
Nora BierichBerlin
Keiko Ye MyintBerlin
Prof. Dr. Ulrike WöhrHiroshima City University
Mag. Agy EvamariaTokyo Metropolitan University
Dr. Tino SchölzMartin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Dr. Rita ZobelKorea-Verband
Margit VoitMünchen
Prof. Sambe, ShinichiKeio-Universität/Tokyo
Thorsten KerpUniversität Bonn
Prof. Dr. Harald MeyerUniversität Bonn
Prof. em. Dr. Winfried FlüchterUniversity of Duisburg-Essen, Institute of East Asian Studies
Matthias ReichBlogger in JapanDas nachträgliche Umschreiben und Verklären von Tatsachen ist leider so alt wie die Menschheit selbst. Während die momentane Entwicklung in Japan genug Anlass zur Sorge bietet, sollten aber auch erfreuliche Entwicklungen zur Kenntnis genommen werden - so unter anderem der aus Japan stammende Versuch, den Pazifismus-Paragraphen 9 der japanischen Verfassung für den Friedensnobelpreis zu nominieren - um ihn so zu erhalten.
N. H.Tokio
Tanja KnorrHanoi
Dr. Michael WachutkaUniversität Tübingen
Regine DiethDWIH Tokyo
Dejan VirovacFrankfurt
Prof. Dr. Andrea GermerKyushu University/ Heidelberg University
Markus PommereningUniversität Halle-Wittenberg
Dr. Rainer WerningFB Sozialwissenschaften der Universität Osnabrück
PD Dr. Takemitsu MorikawaUniversität Luzern, Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften, Soziologisches SeminarDer Geschichtsrevisionismus, den Shinzô Abe und seine Freunde seit langem vertreten und konsequent verfolgen, verleugnet selbst die Existenz der Zwangsprostitution in den Jahren des Asiatisch-Pazifischen Kriegs. Damit tun sie nicht nur den japanischen und nichtjapanischen ernsten Historikern und ihren soliden Forschungsergebnissen einen großen Affront an, sondern auch schaden die Glaubwürdigkeit und Ansehen Japans auf der Welt sowie den inneren Zusammenhalt der japanischen, (noch) demokratischen Gesellschaft. Wenn ihre sogenannte „patriotistische“, nationalistische Politik – nicht nur Schul- und Geschichtspolitik – auf kosten von der Freiheit – Freiheit für Wissenschaft und Forschung, aber auch Freiheit als Grundrecht wie Meinungsfreiheit – weiter fortgesetzt wird, werde ich in absehbarer Zukunft nicht mehr als Scherz, sondern ganz ernst sagen müssen: „Ich möchte gerne in Deutschland (oder in einem anderen Land) Asyl beantragen“. Ich mag zwar die deutsche Japanologiezunft persönlich nicht besonders – Herrn Zöllner insbesondere -, stimme ich jedoch aus meiner festen Überzeugung als politischer Mensch und Wissenschaftler dieser Erklärung zu.
Prof. Dr. Christian FörsterUniversität Heidelberg, Exzellenzcluster "Asia and Europe"
Yann Werner PrellKorea Verband
Yukiko KuwayamaUniversität Bonn学はあらゆる権力を有するもの(例えば政府の力など)から独立に育まれていかなければいけないものであると思います。また、政府の力の及ぶべき範囲と及ぶべきでない範囲の区分を、政府自身で見抜くことができない点に大きな遺憾を覚えます。まさしく自由のあるところにしか成立し得ない学問に属する史実が、目下の権力を有する者によって改ざんされ、それをまだ批判的に判断する能力を欠く子供たちに普及させようとすることは、その子供たちの未来の地平を狭め、あらゆる可能性を失わせることにつながると考えます。未来の日本のみならず世界や地球を担う子供たちに、少しでも多くの可能性を与え、多様な視点を実らせること、自国および世界の過去の誤りをきちんと直視し、そこから学び、自分たちの未来をどの
ようにつくっていくべきか、責任を持って考え、実践させられるようにしていくことが、我々大人の本望であり、また本来の課題ではないでしょうか。
Leon KringsUniversität Hildesheim
Prof. Dr. Raji C. SteineckUniversität Zürich
Lars ThielenFrankfurt a.M.
Dr. des. Jan SchmidtRuhr-Universität BochumAuch die Rolle einiger so genannter "Fachhistoriker" - in einigen Fällen tatsächlich von ursprünglich hohem Renommee (z.B. Kitaoka Shin'ichi, Hata Ikuhiko und leider auch Itō Takashi) - wäre im übrigen sehr kritisch zu hinterfragen, die sich an der zunehmend systematischen Strategie zur Durchsetzung einer "korrekten" Geschichtssicht im In- wie auch im Ausland aktiv beteiligen.
Man wird - leider - zudem sehr auf die "Sengo 70nen danwa" gespannt sein müssen, welche die Regierung Abe wohl am 15. August 2015 verkünden wird.
Martha CaspersHistorisches Museum Frankfurt
Alla SoummJohannes Gutenberg-Universität Mainz
Young Tai TaiBerlinSowohl die japanische als auch chinesische Regierung haben die ganze koreanische Geschichte
verfälscht und wendet sie auch in allen Schulbüchern.
Reinhard R. WethDeutsch-Japanische Gesellschaft ErfurtAls Präsident der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Erfurt - also einer Vereinigung, die Japan und den Japanern in besonderer Weise freundschaftlich verbunden ist - bin ich der Meinung, dass die Regierung Abe und die insoweit Verantwortlichen eine "Bringschuld" haben, wenn sie die Auffassung vertreten wollen, das in japanischen Schulbücher bislang sehr wohl erwähnte Schicksal der sogenannten Trostfrauen würde nicht der Wirklichkeit entsprechen. Das heißt: Ohne definitive historisch-wissenschaftliche Nachweise, aus denen sich ergibt, dass es keine "Trostfrauen" gegeben hat, darf die japanische Regierung weder Geschichtsklitterung in der vorgenannten Art und Weise betreiben, noch irgendwelchen Druck auf Journalisten und Herausgeber von Geschichtsbüchern ausüben. Abe und seine Helfershelfer haben derartige Beweise bislang nicht geliefert. Japan muss also auch weiterhin die weltweit von der überwältigenden Mehrheit der Historiker vertretene wissenschaftl
ich fundierte Auffassung vertreten - wollen sich die Verantwortlichen nicht völlig unglaubwürdig, ja sogar lächerlich machen!
Susanne BarteltMerseburg
Prof. Dr. Gesine Foljanty-JostMartin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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