Fragt man mich, ob Ministerpräsident Abe ein Hitler ist, halte ich das für wahrscheinlich falsch; er ist auch kein Revisionist. Allerdings gibt es im Lande nicht wenige Stimmen, die Ministerpräsident Abes Besuch am Yasukuni-Schrein unterstützen, als ob sie damit gegen die Kritik des Auslands Widerstand leisten wollen, und daß eine Stimmung herrscht, in der Abes Worten und Taten (von nicht weniger als 75 % der Bevölkerung) Unterstützung und tosender Beifall gespendet wird, deckt sich mit dem seinerzeitigen Deutschland, das sich unter Kampfgeschrei Hitler auslieferte.
Ministerpräsident Abe hat den Yasukuni-Schrein besucht, nachdem er mit seiner Wirtschaftspolitik Erfolg gehabt hatte. Das erinnert stark an an den Prozeß, in dem Hitler, nachdem Deutschland von der Hyperinflation und den Kriegsentschädigungen im Gefolge des Ersten Weltkriegs erschöpft war, aus München auftauchte und mit Hilfe einer Inflationsbekämpfung einschließenden Wirtschaftspolitik die Zustimmung der Bevölkerung erwarb.
Noch hat kaum ein Japaner es bemerkt, aber durch den Besuch von Ministerpräsident Abe am Yasukuni-Schrein hat das Yasukuni-Problem eine völlig andere Dimension eröffnet. …
Wovor wir uns ernsthaft fürchten, ist, daß sich wegen des Yasukuni-Problems Japan isoliert, daß die Schere des Bewußtseins zwischen In- und Ausland sich weiter öffnet, daß Japaner, die sich dagegen emotional wehren, zunehmen, daß der Trend nach Rechts immer schneller wird — kurz, daß Japan auf einen Weg geschleppt wird, den es schon einmal gegangen ist.

Ōmae Ken-ichi 大前健一, in: President, 17.2.2014 (Übersetzung: Reinhard Zöllner)