Das Schöne an der Geschichte ist: Man lernt nie aus. Am 2. Dezember 2021 traf die Fregatte der Bundesmarine „Bayern“ zu einem Kurzbesuch in Südkoreas Hafenstadt Pusan ein. Es handelt sich um den ersten offiziellen Besuch einer deutschen Marineeinheit seit 20 Jahren. Das Schiff ist bereits seit August im indopazifischen Raum unterwegs und hat bereits auch in Japan Halt gemacht. Laut Bundeswehr handelt es sich „um eine übliche Präsenz- und Ausbildungsfahrt“, aber Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ließ am 2. August in ihrer Rede zum Auslaufen des Schiffes keinen Zweifel daran, daß es auch um eine politische Mission ausführt, die insbesondere gegenüber Nordkorea und auch China Flagge zeigen soll:
Wir arbeiten mit China zusammen, wo wir können und wir halten dagegen, wo wir müssen. Denn wer versucht internationale Gesetze zu umgehen und uns und unseren Partnern eigene Spielregeln aufzuzwingen, dem stehen wir geschlossen entgegen.
Deutschland will also in Ostasien militärische Präsenz zeigen. In Pusan angekommen, stand dann auch gleich ein Besuch zu Lande auf dem Programm, der darlegt, daß Deutschland damit an eine hierzulande fast vergessene Tradition anknüpft: Nämlich beim dortigen, 1951 angelegten Gedenkfriedhof der Vereinten Nationen für den Koreakrieg. Warum?
Weil auch (West-) Deutschland sich am Koreakrieg beteiligt hat. Auf dieses erstaunliche, in Deutschland kaum bekannte Faktum hat die südkoreanische Presse jetzt hingewiesen: 117 Mann medizinisches Personal des Deutschen Roten Kreuzes betrieben während des Krieges ein deutsches Lazarett in Pusan. Es wurde im Mai 1954 auf Vorschlag von Konrad Adenauer eröffnet und bis 1959 betrieben; militärische Verluste gab es beim deutschen Personal nicht.1 Offenbar bestand das Personal zum überwiegenden Teil aus Krankenschwestern. Deutschland gehörte damals nicht den Vereinten Nationen an und besaß offiziell auch keine Streitkräfte. Die am Krieg beteiligte kleine äthiopische Streitmacht wurde übrigens von einem „in Deutschland ausgebildeten europäischen Chirurgen“ betreut;2 eine etwas nebulöse Formulierung.
An einer weiteren, kuriosen Episode des Krieges war Deutschland übrigens indirekt beteiligt: Die US-Armee entdeckte 1950 bei der Rückeroberung Seouls einen Raum, in dem Uniformen und Waffen der Waffen-SS gelagert wurden. Die US-Armee staffierte damit eine Truppe von Fallschirmspringern aus, setzte sie hinter den nordkoreanischen Linien ab und ließ sie dort Verwirrung stiften. Der sowjetische Botschafter beschwerte sich daraufhin beim westdeutschen Botschafter, der natürlich keine Ahnung hatte, was dort passiert war.3 Es ist nie geklärt worden, wie die SS-Ausrüstung nach Korea gelangte. Wegen der großen Affinität zwischen den Nazis und faschistoiden Parteigängern des südkoreanischen Präsidenten Yi Sŭngman halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß die SS-Ausrüstung nach dem Zweiten Weltkrieg dorthin geschmuggelt worden war. Ein Bericht von 1959 nannte das DRK-Lazarett in Pusan einen „Unterschlupf für verkrachte Existenzen und Nazis“ und scheint damit solche Querverbindungen zu bestätigen. Etliche der dort tätigen deutschen Ärzte waren selbst Mitglied der NSDAP oder der SS gewesen.4
Das Lazarett wurde kurz darauf geschlossen; u.a., weil die medizinischen Zustände, die rassistische Einstellung der Ärzte und das „Führerprinzip“ seiner Leitung kritisiert wurden. Wie Fotos aus dem Nachlaß einer DRK-Schwester von 1958 belegen, gehörten Besuche auf dem UN-Gedenkfriedhof in Pusan schon damals zum Programm.
Beitragsbild: Yi Sŭngman bei einem Besuch im DRK-Lazarett
DRK-Schwestern in einem UN-Stützpunkt in Pusan 1958
Anmerkungen
1Paul M. Edwards: United Nations Participants in the Korean War: The Contributions of 45 Member Countries. McFarland 2013, S. 143–144
2Center of Military History: United States Army in the Korean War: The medics‘ war. Office of the Chief of Military History 1987, S. 182
3Paul M. Edwards: Combat Operations of the Korean War: Ground, Air, Sea, Special and Covert. McFarland 2015, S. 166
4Young-sun Hong: Cold War Germany, the Third World, and the Global Humanitarian Regime. Cambridge University Press: 2015, S. 91–103