„Ich möchte ein echter Mann werden.“ Fast klingt es wie ein Zitat aus Goethes Werther, was in großen Lettern auf dem Titel der Maiausgabe der Zeitschrift prangt, die des Meisters Namen trägt: Goethe.
Aber weit (?) gefehlt. Urheber ist Aiba Masaki 相葉雅紀, der 35-jährige Popstar und Sänger der in ganz Ostasien vergötterten Boygroup Arashi, dessen schlanke Figur auch das Titelbild bildet. Niemand also, der an der „Krankheit zum Tode“ litte. Obwohl man das bei Popstars wohl auch nicht ausschließen kann.
Das war dann auch schon die einzige Verwandtschaft, die sich zwischen der Lifestyle-Zeitschrift und ihrem deutschen Namensgeber konstruieren läßt. Das Blatt bietet ansonsten eben Lifestyle für lebenshungrige japanische Männer.
Eine andere Zeitschrift mit deutschem Namen wendet sich an die japanische Frau. Und heißt auch genau so: Frau. Ihre Juliausgabe zeigt einen anderen ostasiatischen Star: Kang Dae-sung, in Japan bekannt als D-LITE, 7 Jahre jünger als Aiba und Sänger der koreanischen Boygroup Bigbang — eine der repräsentativsten Bands des K-Pop. Das ganze Heft dieser Zeitschrift, an der nichts deutsch ist außer ihrem Namen, ist dem Thema „Südkorea“ gewidmet. D.h., es gibt ein paar Informationen wie „Korean Food Basics“, und der Rest besteht aus, nun ja, Empfehlungen zum Shopping in Korea. Trotz aller politischen Konflikte taugt koreanischer Lifestyle in Japan also immer noch zur Ansprache junger Japanerinnen.
Thematisch etwas eingegrenzter, aber dafür mit ausführlichem Horoskop-Teil präsentiert sich die Zeitschrift Spur (シュプール shupūru zu lesen und damit eindeutig deutsch) in ihrer Augustausgabe. Hier geht es um Mode, um „Geschichten von der Liebe zur Kleidung“, wie es auf dem Titel heißt: „Wir kleiden uns in Erinnerungen.“ (私たちは思い出を着ている) Das ist ein hübscher, fast philosophischer Gedanke, und die junge Frau auf dem Titelbild ist entsprechend retro gestylt. Deutschland findet auch hier nicht statt, aber wer hätte das bei einer Modezeitschrift mit dem Untertitel „National Fashion Story Project“ schon erwartet?
Solche Zeitschriften sind ja keine japanische Besonderheit. Man muß sie auch nicht von vorn bis hinten lesen, um zu erkennen, daß sie eine Qualität besitzen, die den Tagesmedien abgeht: Sie sind Träger des kulturellen Gedächtnisses. J-Pop, K-Pop, Retromode … alles Schauplätze, an denen sich für junge Menschen in Ostasien die Sehnsucht nach kultureller Geborgenheit offenbart. Wenn das dann noch unter geheimnisvollen deutschen Namen geschieht, sind wir ein Stück weit hineingenommen in diese Sehnsucht nach Männlichkeit, Fraulichkeit und den Spuren, die uns kleiden.