Der höchste Berg Südkoreas ist der Hallasan 漢拏山 (1.950 m), und er liegt auf der größten Insel Südkoreas, Jeju 済州島 (1.850 m2). Wenn man (aus dienstlichen Gründen, wegen des Jeju World Forum 2016) schon einmal auf der Insel ist, sollte man den Berg doch auch gleich einmal besteigen — dachte ich mir.
Dafür gibt es verschiedene offizielle Routen, von denen nur zwei zum Gipfel führen. Die eine der beiden, die ich gewählt habe, gilt als bergsteigerisch wenig anstrengend, doch als sehr lang (mehr als 9 km bis zum Gipfel). Und man muß morgens zeitig aufbrechen, denn erstens wird der Zugang zum Gipfel nach etwa 6,5 km Aufstieg bereits im 13 Uhr gesperrt (in der kalten Jahreszeit sogar schon um 12 Uhr), und zweitens ist die Route so beliebt, daß man in großes Gedränge gerät, wenn man „nach dem Aufstehen“ hingeht.
Also stand ich heute bereits um 6:00 Uhr auf, verzichtete aufs Frühstück und fuhr mit dem Bus (Linie 781) vom Rathaus Jeju zum Startpunkt für den Aufstieg, Seongpanak (vom Rathaus aus dauert die Fahrt rund eine halbe Stunde), der auf 728 m Höhe liegt. Gegen 7:20 Uhr begann die Tour.
Ausgerüstet war ich mit einem (leider nicht ganz wasserdichten) Rucksack mit Getränken, Essen, Fotoapparat und Wäsche zum Wechseln. Zu langer Hose und kurzem Hemd trug ich bei vorherigen Wanderungen bewährte Trainingsschuhe. Beim nächsten Mal, soviel sei vorweggenommen, würde ich allerdings Wanderstiefel nehmen. Es sei denn, das Wetter wäre deutlich besser als heute.
Der Wanderweg ist überhaupt nicht zu verfehlen. Er besteht entweder aus Basaltgestein, das unregelmäßig und sehr uneben in meist sanfter Steigung ausgelegt ist, oder Stufen mit einem Querholz oder Bohlenwegen. Die vier Kilometer bis zur ersten Hütte (die nur Toiletten bietet und eine kurze Gelegenheit zum Verschnaufen) schaffte ich locker in einer Stunde. Ich wollte Vorsprung vor den (zu diesem frühen Zeitpunkt noch wenigen) Koreanern gewinnen, außerdem nieselte es, und der Weg bietet außer recht eintöniger Vegetation nicht viel zu sehen (drei kleine Brücken, wenn ich richtig gezählt habe). Unterwegs plauderte ich mit einer jungen Koreanerin, die bereits zum fünften Mal aufstieg und mir empfahl, nicht gleich zum Gipfel zu gehen, sondern bei Kilometer 6 den Eingang zum Saraoreum genannten kleinen Nebenkrater zu nehmen. Die Aussicht sei schöner als auf dem Gipfel.
Das tat ich dann auch. Der Saraoreum liegt bereits auf 1.310 m Höhe, und um zu ihm zu gelangen, muß man ein paar hundert Meter steile Treppen steigen. Oben angekommen, sah ich — so gut wie nichts.
Inzwischen war nämlich der Regen stärker geworden. Der gesamte Berg war in eine graue Wolke gehüllt.
Ich ging ein Stück am See entlang und entschied mich auf dem Rückweg zur Hauptroute, die Besteigung abzubrechen. Inzwischen war das Gros der aufstiegslustigen Einheimischen eingetroffen. Hätte es nicht geregnet, wären es zweifellos noch mehr gewesen. Doch bereits so setzte ein ziemliches Gedränge ein. Alle standen unter dem Druck, bis 13:00 Uhr zur zweiten Hütte zu gelangen. Ich hätte das natürlich leicht geschafft, mir fehlten ja nur noch ein paar hundert Meter. Doch dort hätte das steilste Stück des Aufstiegs begonnen, für das noch einmal zwei Stunden anzusetzen wären — bei gutem Wetter kein Problem, aber bei inzwischen strömendem Regen für mich sinnlos. Also gab ich auf.
Der Rückweg dauerte deutlich länger als mein Aufstieg. Denn durch den Regen standen jetzt tiefe Pfützen auf dem Pfad, so daß ich streckenweise von Stein zu Stein hüpfen mußte, was mit den Trainingsschuhen durchaus mühsam war. Außerdem kamen mir ständig Gruppen von Koreanern entgegen, die verbissen nach oben strebten und relativ wenig Raum für die Rückkehrer ließen. Erst kurz vor Schluß rief mir eine Koreanerin fröhlich Anyeong haseyo! zu. Ab 11:00 Uhr riß der Strom der Wanderer völlig ab, denn es wäre zu spät gewesen, um noch zum Gipfel zu kommen. Kurz vor dem Parkplatz kam mir noch ein junges Pärchen entgegen, in Alltagskleidung und mit Regenschirmen. Ich bin gespannt, bis wohin sie wohl gekommen sind.
Für Auf- und Abstieg, zusammen etwas über 14 km, brauchte ich 4:08 Stunden. Kein Grund, stolz zu sein. Aber angesichts der Witterung war die Umkehr wohl die weiseste Entscheidung. Hätte ich ein paar Stunden auf dem Gipfel ausgeharrt, hätte der Regen vermutlich irgendwann aufgehört. Von der Stadt aus sah ich allerdings, daß der Berg den ganzen Rest des Tages unter Wolken lag. Eine richtig gute Aussicht hätte ich also vermutlich auch dann nicht haben können.
Also bis zum nächsten Mal — im Sonnenschein!