Strathfield ist eine im späten 19. Jh. entstandene Vorstadt von Sydney, die in jüngster Zeit wegen ihrer guten Verkehrsanbindung an die australische Metropole zahlreiche neue Siedler angezogen hat. Von den 24.000 Einwohnern besitzen nur 16 % australische Vorfahren; 19 % sind chinesischer, 9 % koreanischer Abstammung. Der Stadtrat versteht sich natürlich auch als Interessenvertretung dieser kulturell ungewöhnlich vielfältigen Bevölkerung; seine Website ist englisch, koreanisch, chinesisch und arabisch gehalten. Nun hat er eine Entscheidung getroffen, die nicht allen Einwohnern gefallen wird.
Am 25.3.2014 machte nämlich das „Koreanische Komitee der Vereinten Allianz australischer Koreaner und Chinesen gegen japanische Kriegsverbrechen“ (Korean Committee of United Austral Korean-Chinese Alliance Against Japanese War Crimes)1 der Stadt den Vorschlag, eine Statue aufzustellen, welche in der Form von drei Mädchen (eine Koreanerin, eine Chinesin, eine Australierin) an „die Opfer sexueller Gewalt im Zweiten Weltkrieg“ auf einem öffentlichen Platz der Stadt erinnern sollte, „wo viele der Nachfahren aus Korea und China wohnen“.
Der Stadtrat hat am 11.8.2015 diesen Vorschlag einstimmig abgelehnt. Das Verfahren, das zu diesem auch in Japan beachteten Beschluß führte, verdient dokumentiert zu werden, denn es zeigt vorbildlich, wie mit einem multikulturellen Erbe umgegangen werden kann. Der Stadtrat hat alle relevanten Schritte selbst veröffentlicht, so daß das Verfahren völlig transparent ist.
Schon am 1.4.2014 beschloß der Stadtrat, einen Berichterstatter einzusetzen und die Meinung der Bundesregierung einzuholen. 6 australische Ministerien wurden befragt; alle lehnten es ab, der Stadt eine Empfehlung zu geben. Also mußte sich die Stadt an ihre eigenen Regeln für Denkmäler halten. Die Kriterien hierfür lauten, Denkmäler sollten errichtet werden für verdiente Mitglieder der Stadt oder für Gruppen, die sich um die Stadt verdient gemacht hätten oder für Ereignisse von regionaler oder nationaler Bedeutung oder als Kriegsdenkmäler. Keines dieser Kriterien sah der Berichterstatter als erfüllt an; Kriegsdenkmäler sind nämlich ausdrücklich definiert als Erinnerung an den Einsatz australischer Truppen und müssen direkt nach einem Krieg errichtet werden. Das geplante Denkmal sei nicht in den Stadtentwicklungsplan eingebunden, es gebe auch keine Aussagen zu seiner Finanzierung. Das Denkmal sei wegen seiner „sensiblen und Gefühle hervorrufenden Natur“ aber geeignet, unter den „verschiedenen kulturellen Gruppen“ wegen seiner möglichen „ethnischen Verunglimpfung“ (racial vilification) Unfrieden zu stiften. Außerdem könne es als politische Stellungnahme betrachtet werden. Beides sei mit den Richtlinien des Stadtrates nicht zu vereinbaren.
Außerdem wurde eine Umfrage unter der Bevölkerung durchgeführt, bei der nur 33 % der Befragten für die Statue plädiert hätten. Der Berichterstatter empfahl deshalb, den Vorschlag abzulehnen.
Für den 11.8.2015 setzte der Stadtrat eine Sondersitzung zur Beschlußfassung nach öffentlicher Anhörung an. „Wegen des überwältigenden Interesses“ wurde die Zahl der Anzuhörenden auf acht begrenzt, abwechselnd jeweils vier für die Pro- und Contra-Seite, denen jeweils 5 Minuten Redezeit zugebilligt wurden. Die Redner wurden am Morgen des 11.8. aus den Bewerbern öffentlich ausgelost. Die Sitzung des Stadtrats begann mit einem Gebet. Von der Abstimmung über den Antrag wurden solche Mitglieder des Stadtrats ausgeschlossen, die wegen finanzieller oder anderer Interessen befangen waren: in diesem Fall das koreanische Mitglied des Stadtrats. Der Beschluß fiel letztlich einstimmig so aus, wie es der Berichterstatter empfohlen hatte:
Daß der Stadtrat nichts weiter unternehme bezüglich eines Denkmals für Trostfrauen, weil der Vorschlag nicht die Kriterien der Gedenkpolitik des Rates erfüllt.
Vorbild aller „Trostfrauen“-Statuen ist diese Statue vor der japanischen Botschaft in Seoul.
1Die im Februar 2014 gebildete, in Sydney ansässige Gruppe hat zum Ziel, die australische Öffentlichkeit gegen „die verborgene Politik der japanischen Regierung für Neo-Militarismus, Verfälschung der Geschichte des Krieges und der Kriegsverbrechen einschließlich des Gebrauchs von Sexsklaven und des Nanjings-Massakers“ zu mobilisieren und die australische Regierung dazu aufzufordern, von der japanischen Regierung „eine formelle Entschuldigung und Wiedergutmachung für die Verletzung der Menschenrechte von 200.000 Frauen“ zu verlangen. Hierfür soll eine „Trostfrauen“-Statue in Australien errichtet werden, „um die aufwachsende zweite Generation von Koreanern und Chinesen in Australien über die Brutalität und Gewalt zu informieren, die Hunderttausende von Frauen während des Zweiten Weltkriegs erlitten“. Es ist wohl diese, keinesfalls nicht nach Versöhnung und Verständigung, sondern nach ethnischer Selbstvergewisserung strebende Zielsetzung dieser Gruppe, welche ihr Anliegen in Strathfield so wenig akzeptabel machte.