Die Unterhauswahl am 14.12.2014 hat drei klare Verlierer hervorgebracht, während sich an der politischen Gesamtlage kurzfristig wenig ändert.
Der eine Verlierer ist die Regierungspartei LDP (Jimintō 自民党). Vor der Wahl besaß sie 293 Mandate im Unterhaus; jetzt sind es nur noch 291.
Nur weil ihr kleiner Koalitionspartner, die buddhistische Kōmeitō 公明党, vier Sitze hinzugewonnen hat und jetzt über 35 Mandate verfügt, hat die Koalition unter Führung von Ministerpräsident Abe Shinzō 安倍晋三 in der Summe gewonnen. Gemeinsam sind es jetzt also 326 Sitze statt zuvor 324.
Ist das für Abe ein Grund zum Jubeln? Wohl kaum. Denn sein Koalitionspartner steht den LDP-Plänen zur Verfassungsreform äußerst reserviert gegenüber. Es wird für Abe in Zukunft deshalb nicht einfacher werden, die größer gewordene Kōmeitō an seiner Seite zu halten. Die LDP hätte zwar auch ohne Koalitionspartner eine satte Mehrheit; aber eben keine, die für eine Verfassungänderung reichte.
Der zweite Verlierer sind die Rechtsaußenparteien unter Hashimoto Tōru und Ishihara Shintarō. Ursprünglich in einer Partei vereint, haben sie sich im Streit getrennt. Ishiharas Splitterpartei hat dabei 17 von 19 Mandaten verloren. Nicht einmal der greise Parteichef selbst sitzt jetzt noch im Parlament (wohl aber nach wie vor zwei seiner Söhne, die in der LDP tätig sind). Auch Hashimotos Gruppe hat einen Sitz verloren und steht jetzt bei 41 Mandaten.
Damit hat sich der Anspruch dieser Rechtsparteien, der bürgerlichen Opposition — der DPJ (Minshutō 民主党) — den Rang abzulaufen, erledigt.
Die DPJ hat durchaus dazugewonnen, wenngleich nicht durchschlagend: nach 62 schickt sie jetzt 73 Parlamentarier in den Reichstag. Das ist immerhin genug für ordentliche Oppositionsarbeit (der Parteivorsitzende Kaieda verlor allerdings sein Mandat und trat umgehend zurück).
Der andere Gewinner in der Opposition ist die Kommunistische Partei. Die Wähler belohnten sie diese konsequenteste aller Oppositionsparteien mit fast dreimal soviel Sitzen wie vorher: 21 statt 8, darunter zum ersten Mal seit langem wieder ein Direktmandat.
Dieses Direktmandat holten die Kommunisten auf Okinawa. Dort unterlagen die LDP-Kandidaten in jedem der vier Wahlkreise. Das spricht Bände über den Unmut, der sich in dieser Inselpräfektur inzwischen über ihre Behandlung durch Tōkyō verbreitet hat: Man fühlt sich wie eine Kolonie. Die Entfremdung wird weiter voranschreiten, falls die Nationalregierung Okinawa weiterhin als Verfügungsmasse der US-Armee behandelt.
Die einzige andere Präfektur, in der die LDP nicht einen direkten Sitz holte, ist Yamanashi; traditionell agrarisch geprägt und vielleicht gerade deshalb traditionell distanziert gegenüber den Vertretern der Megagroßstadtinteressen.
Und nun zum dritten Verlierer. Die Wahlbeteiligung lag erstmals unter 53 %. Gegenüber der Wahl von 2012 blieben mehr als 6 % mehr Menschen der Wahlurne fern. Wenn aber die Hälfte der Wahlberechtigten ihr Recht gar nicht wahrnimmt, dann steckt die Demokratie in einer Krise. Diese Krise ist menschengemacht; kein Tsunami ist daran schuld, sondern einzig das Versagen der politischen Klasse.
Durch die aus machttaktischen Gründen ausgerufene vorgezogene Neuwahl wollte Abe sich ein Mandat zur Fortsetzung seiner umstrittenen und bislang wirkungslosen Wirtschaftspolitik, eine Ermächtigung für die angestrebte Verfassungsänderung und eine Bestätigung seines verteidigungspolitischen Kurses beschaffen. Mehr als die Hälfte der Wählerschaft hat ihm dies alles versagt. Der größte Teil durch stummen Protest. Der klägliche Rest hat Abes LDP mit dem Verlust von zwei Mandaten bestraft.
Wie lange Abe sich und seinen Parteifreunden vorgaukeln kann, daß er die Wahl gewonnen habe, bleibt abzuwarten. Eines ist jedenfalls klar: Eine weitere Neuwahl kann er sich nicht leisten. Es war ein Pyrrhussieg.