Offener Brief an das Deutsche Institut für Japanstudien (DIJ)
An den Direktor des
Deutschen Instituts für Japanstudien (DIJ) Tokyo
Herrn Prof. Dr. Florian Coulmas
Umstellung der Hauptsprache der DIJ-Zeitschrift „Japanstudien“ auf die englische Sprache
Sehr geehrter Herr Direktor Coulmas,
auf Ihre Ankündigung, die Hauptsprache der von Ihrem Institut herausgegebenen Zeitschrift „Japanstudien“ vom Deutschen aufs Englische umstellen zu wollen, reagieren wir als Wissenschaftler, die sich mit Japan beschäftigen, und als Mitglieder der an Japan interessierten Öffentlichkeit mit Bestürzung. Wir bitten Sie, diese Entscheidung zurückzunehmen.
Die „Japanstudien“ haben sich in den vergangenen zwanzig Jahren als wichtiges Organ der japanbezogenen Wissenschaft im deutschsprachigen Raum etabliert. Insbesondere Nachwuchswissenschaftler haben hier einen Ort gefunden, an dem sie die Ergebnisse ihrer Arbeit publikumswirksam vorstellen konnten. Eine solche Breitenwirkung erreichen andere deutschsprachige wissenschaftliche Zeitschriften in der Japanforschung nur teilweise. Wenn die Zeitschrift nun hauptsächlich aufs Englische umgestellt wird, steigt die Gefahr, daß
- deutschsprachige Nachwuchswissenschaftler bei der Auswahl von Beiträgen gegenüber Wissenschaftlern, deren Muttersprache Englisch ist, benachteiligt werden,
- die Vermittlung aktueller Ergebnisse der deutschsprachigen Japanforschung in den deutschsprachigen Raum (eine der Hauptaufgaben des vom deutschen Steuerzahler finanzierten DIJ) eingeschränkt statt gefördert wird,
- Themenstellungen sich verstärkt an der englischsprachigen Forschung orientieren, statt aus dem eigenständigen Forschen und Lehren hervorzugehen, das im deutschen Sprachraum nach wie vor in großer Breite und Tiefe stattfindet,
- in der internationalen Japanforschung der Eindruck erweckt wird, es gebe keine nennens- oder lesenswerte deutschsprachige Japanforschung mehr.
Wir wenden uns nicht dagegen, daß — wie schon bisher — englischsprachige Beiträge in den „Japanstudien“ erscheinen. Es läuft aber den Interessen der deutschsprachigen Japanforschung zuwider, ihr auf symbolische Weise die eigene Stimme zu rauben. Der Stellenwert der „Japanstudien“ als eines Sprachrohrs der deutschsprachigen Japanforschung ist nach zwanzig Jahren qualitätsvoller Arbeit so hoch, daß wir nachdrücklich davor warnen, sie durch die angekündigte Umstellung zu entwerten.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Mathew Königsberg, Berlin, schrieb:
Als ich vor über 30 Jahren aus den USA kam und ein Studium in Hamburg (unter Oscar Benl und Günther Wenck) aufnahm, habe ich Dinge gelernt und Fertigkeiten erworben, wie man sie mir in meinem Heimatland kaum hätte vermitteln können. Es schmerzt mich daher besonders, dass wir in Deutschland inzwischen unsere eigene Wissenschaftstradition mit beiden Händen von uns schleudern. Die Entscheidung der Leitung des DIJ ist nur ein weiteres trauriges Beispiel dafür.
Prof. Walter Gebhard, Bayreuth, fragt:
Seit vielen Jahren bewundere ich die differenzierten, weitsichtigen und ‚eigenkulturkritischen‘ Beiträge des Leiters des Instituts in Tokyo. Die Ersetzung des Deutschen in einem offiziellen Akt durch das Englische scheint mir nicht gerechtfertigt. Würde es nicht genügen, die beiden Sprachen ‚gleichberechtigt‘ zu behandeln, ohne eine Dominanz zu etablieren?
Prof. Kenichi Mishima, Tokyo, gibt zu bedenken:
Postkolonialer Ansatz und Cultural Studies haben, so sehr sie anregende Impulse auch geben, die Tendenz zur Anglifizierung und lingualen Konformierung forciert — trotz ihres Plädoyers für Vielfalt und Differenzen. Gewollt oder ungewollt lassen sich offenbar Japan-Studien in diese Richtung mitreissen, ich fürchte, unbewußt. Überhaupt sollte auch der Zielsprache mehr Raum gegeben werden. Für einen Romanisten ist Französisch selbstverständliche Publikationssprache, für einen Germanisten Deutsch. Das sollte auch im Fall der Korea-, Japan- und China-Studien nicht anders sein. Die oft vorkommende Ausschließung des Japanischen aus der internationalen Japanologie ist wahrscheinlich die Langzeitwirkung des Trägheitsgesetzes, wenn nicht des Eurozentrismus.
Dr. Susanne Schermann, Tokyo, ergänzt:
Prof. Mishima spricht mir aus der Seele. Es hat mich schon öfters überrascht (nicht nur beim DIJ, sondern auch bei anderen japanbezogenen Publikationen oder Mitteilungen), daß bei der Wahl einer zweiten Sprache das Englische gewählt wurde, und nicht – was eigentlich selbstverständlich sein sollte – das Japanische.
Dr. Karin Moser v. Filseck, Tübingen, meint:
Ich fürchte, diese Entwicklung entspricht dem aktuellen Zeitstil und wird sich möglicherweise nicht lange aufhalten lassen. Um so wichtiger ist die Unterstützung des Deutschen als Wissenschaftssprache von so vielen Seiten wie möglich, und sei es auch nur in den — immer stärker marginalisierten — Geisteswissenschaften.
Prof. Margaret Mehl, Kopenhagen, schreibt:
Die Mehrsprachigkeit ist eine gute europäische Tradition an der wir festhalten sollten.
Sprache und Denken gehen ausserdem Hand in Hand. In der Muttersprache denkt es sich in der Regel besser. Und in verschiedenen Sprachen denkt man auch verschieden, jedenfalls teilweise. Eine Gleichschaltung der Sprache kann eine zunehmende Gleichschaltung der Denkweisen hinter sich herziehen. Wollen wir das wirklich?
Dr. Thomas Hagemann, Bonn, erinnert:
Hier noch einmal zur Erinnerung die Beschreibung der Zielstellung des DIJ-Jahrbuches, die bis April 2009 unter http://www.dijtokyo.org/?page=publication_list.php&p_id=1&menu=5 zu lesen war. Nicht alles davon sollte über Bord geworfen werden, nur um mehr englischsprachige Leser zu erreichen – und eine Beschränkung auf Deutsch, Englisch und Japanisch statt einer Multisprachlichkeit erscheint mir ausreichend.
„Das Jahrbuch Japanstudien enthält wissenschaftliche Beiträge zu allen Forschungsbereichen des Instituts, d.h. zu Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft des gegenwärtigen Japan sowie zu den deutsch-japanischen Beziehungen aus den laufenden Arbeiten der Mitarbeiter, steht jedoch auch auswärtigen Beiträgern aus aller Welt offen. Neben originären Forschungsarbeiten umfaßt das Jahrbuch jeweils auch Beiträge, die den Stand der japanischen Forschung in einzelnen Wissensgebieten bzw. deren rezente Entwicklung kritisch zusammenfassen. Die meisten Bände stellen jeweils einen Themenblock in den Mittelpunkt, wie z.B. „Zeit in Japan“, „Konflikt“, „Wertewandel in Deutschland und Japan“, „Raum“ oder „Reformen im politökonomischen System Japans“. Besonderer Wert wird auch auf den ausführlichen Besprechungsteil gelegt. Er soll dazu beitragen, im deutschen Sprachraum weniger bekannte neue japanische Arbeiten zu aktuellen Fragen der Wissenschaft vorzustellen. Im Jahrbuch werden deutsch- und englischsprachige Aufsätze veröffentlicht. Die Bände 10 bis 17 der Japanstudien können mittels untenstehender Links im Volltext heruntergeladen werden.“
Prof. Josef Kyburz, Paris, kommentiert:
Liegen die Größe und Stärke Europas nicht gerade in der Vielfachheit ihrer Sprachen und Denkweisen (darunter Deutsch ebenso wie Englisch)?
Wagen wir es einzustehen für eine Kultur voll von tausendjähriger Geschichte, Literatur und Geistesleben, ein Reichtum, den man nicht ohne Weiteres in den Wind werfen soll. Sprachen sind das Ferment und die Farben aller Kultur, Nivellierung führt zu deren Verarmung und Verblassen.
Dr. habil. Gerhard Krebs, Berlin, weist auf folgenden Aspekt hin:
Leider ist das Überleben der „Nachrichten der OAG Hamburg“ (NOAG) nach dem Ausscheiden von Dr. Herbert Worm nicht gesichert, so dass die „Japanstudien“ als eines der wenigen mit Ostasien befassten Publikationen in deutscher Sprache noch an Bedeutung gewinnen könnten.
Prof. Shinichiro Morikawa, Kobe, kommentiert:
Ich als japanischer Germanist bin der Meinung, die deutschen Kulturinstitute sollten auf ihre eigene Sprache und Kultur stolz bleiben und sich stets um die Verbreitung der Sprache von Goethe und Schiller, Kant und Nietzsche bemühen.
Unterzeichner
Name | Ort |
---|---|
Prof. Dr. Harald Meyer | Bonn |
Prof. Dr. Reinhard Zöllner | Bonn |
Dr. Maik Hendrik Sprotte | Halle a.d.S. |
Jose Timmermann | |
Diandra Linnemann | |
Alisa Saric | |
Dr. Bernhard Scheid | Wien |
Dr. phil. Hartmut Lamparth | Bonn |
Florian Höhmann | |
Siegfried Brandt | |
Sarah Sauer | |
Prof. Dr. Kay Genenz | Bonn |
Julia Wätzig | Marburg |
Prof. Dr. Sepp Linhart | Wien |
Clemens Schlüter | Werne |
Prof. Dr. Wolfgang Schamoni | Heidelberg |
Ina Bretschneider-Baker | Erkrath |
Mahmut Uzunyigit | Tübingen |
Kolja Kreß | Berlin |
Franziska Kekulé | München |
Martin Lieser | Bonn |
Prof. Dr. Judit Arokay | Heidelberg |
Martin Kunze | Bonn |
Prof. Dr. Volker Fuhrt | Hirosaki, Japan |
Dr. Christoph Neumann | Tokio, Japan |
Assoc. Prof. Oliver Mayer | Kariya, Japan |
Anja Delanoff | München |
Dr. Roland Domenig | Wien |
Dr. André Marhaun | Tokyo, Japan |
Sven Kramer | Matsumoto, Japan |
Prof. Dr. Irmela Hijiya-Kirschnereit | Berlin |
Nora Bartels | Berlin |
Markus Igel | Wien |
Dr. Herbert Worm | Hamburg |
Dr. Susanne Germann | Kirchheim bei Stuttgart |
Benjamin Lunau | Heikendorf bei Kiel |
Dr. Dr. Dr. Jörg Möller | Hessisch Lichtenau |
Maren Ehlers | Princeton, New Jersey |
Sebastian Görick | Bonn |
Dr. Eva-Maria Meyer | Tübingen |
Dr. Michael Wachutka | Tübingen |
Petra Jeisel | Tübingen |
PD Dr. Günther Distelrath | Bonn |
Michael Mattner | Bochum |
Prof. Dr. Matthew Königsberg | Berlin |
Prof. Dr. Viktoria Eschbach-Szabo | Tübingen |
Matthias Wittig | Berlin |
Daniel Schley | Tokyo, Japan |
Tadashi Suzuki | Tokyo, Japan |
Dr. des. Asa-Bettina Wuthenow | Heidelberg |
Elena Giannoulis | Berlin |
Prof. Dr. Keiichi Aizawa | Tsukuba, Japan |
Prof. Dr. Walter Gebhard | Bayreuth |
Prof. Kenichi Mishima | Tokyo, Japan |
Dr. Simone Müller | Zürich |
Prof. Dr. iur. Dres. h.c. Thomas Oppermann | Tübingen |
Dr. Karin Moser v. Filseck | Tübingen |
Prof. Dr. Klaus Antoni | Tübingen |
Jörg Reinowski | Berlin |
Dr. Susanne Schermann | Tokyo, Japan |
Assoc. Professor Dr. Margaret Mehl | Kopenhagen |
Thomas Güde | Halle a.d.S. |
Dr. Yoriko Yamada-Bochynek | Berlin |
Rebecca Mak | Berlin |
Prof. Mayumi Kagawa | Tokyo, Japan |
Prof. Kimiko Murakami | Tokyo, Japan |
Yuko Tamagawa | Tokyo, Japan |
Prof. Dr. Moritz Bälz | Frankfurt a.M. |
Isolde Asai | Ummendorf |
Barbara Wall | Seoul, Korea |
Linus Biela | Bonn |
Prof. Shinichi Sambe | Tokyo, Japan |
Thomas Reger | München |
Prof. Dr. Song U Chon | Seoul, Korea |
Stephan Wilczek | Frankfurt a.M. |
Julia Delmhorst | Bonn |
Dr. Thomas Hagemann | Bonn |
Dr. Susanne Formanek | Wien |
Prof. Atsuko Onuki | Tokyo, Japan |
George Sansom Professor of History Carol Gluck | New York, USA |
Dr. Guido Woldering | Frankfurt a.M. |
Prof. of Jap. Studies Richard Bowring | Cambridge, USA |
Prof. Dr. Josef Kyburz | Paris, Frankreich |
Daniel Gerichhausen | Bonn |
Dr. Astrid Brochlos | Berlin |
Dr. Petra Buchholz | Berlin |
Prof. Livia Monnet | Montreal, Kanada |
Dr. habil. Gerhard Krebs | Berlin |
Prof. Ryozo Maeda | Tokyo, Japan |
Osamu Kirikawa | Nara, Japan |
Prof. Dr. Miki Ikoma | Tokyo, Japan |
Prof. em. Eijiro Iwasaki | Kamakura, Japan |
Prof. Yoshiyuki Muroi | Tokyo, Japan |
Prof. Naoki Kamimura | Kumamoto, Japan |
Prof. Takao Tsunekawa | Tokorozawa, Japan |
Masayuki Kawashima | |
Prof. Dr. Atsushi Yamamoto | Tokyo, Japan |
Naoko Sutou | Kamakura, Japan |
Shin-ichi Nagamine | Kanazawa, Japan |
Prof. Masafumi Suzuki | Hotaru, Japan |
Prof. h.c. Susumu Otomo | Hiratsuka, Japan |
Yuhei Akashi | Nishinomiya, Japan |
Assoc. Professor Sho Saito | Osaka, Japan |
Dr. Naomi Miyatani | Tokyo, Japan |
Haruki Yasukawa | Tokyo, Japan |
Prof. em. Atsushi Niizuma | Sapporo, Japan |
Yasuyuki Miyagi | Wien |
Assoc. Prof. Christian W. Spang | Tsukuba, Japan |
Chieko Nishimura | Japan |
Prof. Dr. Kensuke Sugiura | Sendai, Japan |
Dr. Hiroko Kitahara | Kitahiroshima, Japan |
Jiro Kuriyama | z.Z. Hefei, China |
Prof. em. Jun Otomasa | Higashisumiyoshi, Japan |
Prof. Dr. Thomas Pekar | Tokyo, Japan |
Dr. Yoko Nishina | Erfurt |
Ph.D. Mitsuyo Ono | Higashihiroshima, Japan |
Eva Koizumi-Reithofer | Tokyo, Japan |
Kayoko Tamaki | Kyoto, Japan |
Kohei Baba | Tokyo, Japan |
Prof. Masayoshi Yasuoka | Oita, Japan |
Prof. Takao Nagasawa | Nagoya, Japan |
Satoru Kikuchi | Tokyo, Japan |
Prof. Hajime Kamei | Osaka, Japan |
Assoc. Prof. Dr. Susumu Kuroda | Tsukuba, Japan |
Reika Hane | Köln |
Tomoko Maruyama | Tokyo, Japan |
Prof. Shinichiro Morikawa | Kobe, Japan |
Carsten Waychert | Kyoto, Japan |
Susanne Wieland | |
Prof. Dr. Goro Kimura | Tokyo, Japan |
Prof. Kazumi Sakai | Yokohama, Japan |
Junko Takamiya | Tochigi, Japan |
Prof. Dr. Franziska Ehmcke | Köln |
Assoc. Prof. Taeko Nasu | Togane, Japan |
Assoc. Prof. Shinji Nakagawa | Nishinomiya |
Miyoko Fujita | Ashiya, Japan |
Prof. Dr. Heinz Hugo Alber | Nagoya, Japan |
Prof. Nobuko Miyauchi | Toyama, Japan |
Juniorprof. Naoaki Eguchi | Tokyo, Japan |