Während international über ein Moratorium und die Regulierung der gegenwärtig boomenden Systeme künstlicher Intelligenz wie ChaptGPT nachgedacht wird, zeigt Japans Regierung bereits große Bereitschaft, sie in den Regierungs- und Verwaltungsalltag zu integrieren.
So traf sich der Geschäftsführer von OpenAI, Sam Altman, am 10. April 2023 mit Japans Premierminister Kishida Fumio zu einem Meinungsaustausch über ChatGPT und nahm an einer Sitzung des LDP-Zentralausschusses für die Förderung der digitalen Gesellschaft teil. Altman erklärte, Japan solle zu einem Schwerpunkt der Tätigkeiten seines Unternehmens werden und man werde „in Japan mit einigen Arbeiten beginnen, um ChatGPT zu einem besseren Modell für die japanische Sprache und Kultur zu machen.“ Japan könne „eine sehr wichtige Rolle“ bei der durch ChaptGPT eingeleiteten technologischen Revolution spielen.
Kishida wiederum äußerte, er habe mit Altman über die Einführung internationaler Regeln hinsichtlich Datenschutz und Urheberrecht gesprochen.
Wenn solche Fragen geklärt seien, werde die Regierung laut dem Chef des Kabinettsamtes Matsuno Hirokazu „die Möglichkeit in Betracht ziehen, die Arbeitsbelastung der Staatsbediensteten zu verringern“.
Was dies konkret bedeuten kann, erläuterte Wirtschaftsminister Nishimura Yasutoshi nach einer Kabinettssitzung am 11. April. So sei geplant, Künstliche Intelligenz zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen einzusetzen, wenn die Bedenken hinsichtlich des Umgangs mit vertraulichen Informationen ausgeräumt seien. Wörtlich sagte er:

„Wir erkennen an, daß hochpräzise linguistische KI-Tools das Potential haben, Arbeitsplätze, bei denen Sprache und andere Aufgaben zum Einsatz kommen, durch weitere Leistungsverbesserungen radikal zu verändern. Über ihren Einsatz in der Verwaltung müssen wir nach Betrachtung ihrer Notwendigkeit und Risiken in der Führung unserer Geschäfte entscheiden.

Sowohl in China als auch in Südkorea wird derweil erwogen, eigene Versionen von ChatGPT-ähnlicher Software zu entwickeln. Südkoreas Regierung ist sogar bereit, das Urheberrecht zu „ergänzen“, um rechtliche Bedenken zu beseitigen. Ein entsprechendes Gesetz, das auch Steuererleichterungen für Firmen ermöglicht, die Künstliche Intelligenz entwickeln, ist bereits im März ins Parlament eingebracht worden. Die Stadtverwaltung von Seoul plant den Einsatz von ChatGPT zur automatischen Beantwortung von Bürgeranfragen.
Die sorgsame Prüfung und Beantwortung von Anfragen sowohl von Parlamentariern als auch von Normalbürgern durch Regierung und Verwaltung — also die Auskunftspflicht — gehörte bislang zu den Grundpfeilern des demokratischen Rechtsstaates. Man darf gespannt sein, wie weit die Bereitschaft von Politikern und Verwaltungsbeamten weltweit und besonders in Ostasien geht, sich von dieser lästigen Pflicht zu befreien und sie auf Automaten abzuschieben. Sollten die Antworten falsch oder irreführend ausfallen, wie es in der Vergangenheit immer wieder geschehen ist (und was oft genug die tatsächliche Inkompetenz oder Böswilligkeit der Regierenden aufgedeckt hat), wird man es in Zukunft sehr bequem auf Fehler im Programm schieben können. Dann muß natürlich auch niemand mehr zurücktreten. Die Brave New World steht also schon in den Startlöchern.