Wir leben in aufgeregten Zeiten. An wahrgenommenen oder empfundenen Mißständen Kritik zu äußern, gilt heute als erste Bürgerpflicht. Um in Diskussionen und Verhandlungen wahr- und ernstgenommen zu werden, empfiehlt sich allerdings, der Kritik auch den nötigen Nachruck zu geben und, wie es im Deutschen so schön heißt, dem anderen „die Meinung zu geigen“. Wut gilt in der Forschung durchaus als verhandlungsfördernder Faktor, wenn man sie richtig dosiert. Sie erzeugt nämlich Angst beim Gegenüber. Das kann auch schiefgehen, wenn ein Wutausbruch als überzogen, ungerechtfertigt oder nicht authentisch wahrgenommen wird.1 Entsprechend halten unsere Sprachen Begriffe bereit, um Kritik einzuordnen und zu bewerten. Das Japanische natürlich auch. Nur gelten die Japaner als so höflich und zurückhaltend, daß man ihnen so etwas gar nicht zutraut. Aber das stimmt nicht. Die nachfolgende Tabelle soll verstehen helfen, in welche Eskalationsstufen Japaner verbale Kritik einsortieren. Diese Einsortierung dient dann gleich als Orientierung, wie auf solche Kritik reagiert werden kann. Viel Erfolg damit! Aber bitte daran denken:

Wer diskutiert, ohne Argumente zu haben, sucht nur Streit.
(Konfuzius)

Kritisieren auf japanisch

Gradneutralmäßigheftigmaßlosvernichtend
Menschen und Sachen
Ausdruck批判するケチをつける貶す腐すこき下ろす
Lesunghihan surukechi wo tsukerukenasukusasukokiorosu
Bedeutungkritisieren, bemängelnnörgeln (über), scheltenlästern (über), bemäkelnin den Dreck zieheneindreschen (auf), niedermachen
Menschen
Ausdruck非難する叱る謗る罵る侮辱する
Lesunghinan surushikarusoshirunonoshirubujoku suru
Bedeutungkritisierenscheltentadeln, verurteilenbeschimpfenbeleidigen

1Sehr lesenswert hierzu: Erica J. Boothby, Gus Cooney, Maurice E. Schweitzer: „Embracing Complexity: A Review of Negotiation Research.“ Annual Review of Psychology 74:1 (2023), 299-332

Das Beitragsbild stammt aus dem Film Tonari no Yamada-kun (Japan 1999, Regie: Takahata Isao) und zeigt die Familie Yamada beim ganz alltäglichen Streiten.