Die südkoreanische Regierung hat am 6.3.2023 einen Plan bekanntgegeben, mit dem sie die festgefahrenen Verhandlungen um Entschädigungen für koreanische Zwangsarbeiter in japanischen Diensten während des Zweiten Weltkriegs voranbringen will. Demnach wird die Regierung die bereits 2012 errichtete Stiftung für die Opfer der Zwangsmobilisierung durch das kaiserliche Japan (engl. Foundation for Victims of Forced Mobilization by Imperial Japan, abgekürzt FOMO) benutzen, um die Zwangsarbeiter zu entschädigen. Dies soll durch freiwillige Spenden koreanischer Unternehmen finanziert werden, die von den japanischen Entschädigungen an Südkorea nach dem Abschluß des Grundlagenvertrags von 1965 profitiert hatten. Unabhängig davon wird ein binationaler Fonds für wissenschaftlichen oder Jugend-Austausch geplant, der von den koreanischen und japanischen Unternehmerverbänden gesponsert wird. Im Gegenzug soll die japanische Regierung sich zur japanisch-südkoreanischen Deklaration vom 8.10.1998 bekennen, die seinerzeit von Präsident Kim Täjung bei seinem Staatsbesuch in Japan mit Ministerpräsident Obuchi Keizō abgeschlossen wurde.
In dieser (äußerst umfangreichen) Erklärung1 äußerte Obuchi „tiefes Bedauern und die herzliche Bitte um Entschuldigung“ für den „außerordentlichen Schaden und Leid“, das Japan Korea während der Kolonialzeit zugefügt hat. Präsident Kim nahm diese Entschuldigung an und verwies darauf, beide Staaten sollten „eine zukunftsorientierte Beziehung“ im Geiste der Freundschaft aufbauen.
Die jetzige Initiative soll dabei helfen, den Gordischen Knoten zu zerschlagen, welcher die japanisch-südkoreanischen Beziehungen seit einiger Zeit fesselt. Denn überlebende Zwangsarbeiter und deren Nachfahren haben bislang die bereits 1965 getroffenen Vereinbarungen zur Entschädigung Koreas für die Kolonialherrschaft nicht akzeptiert und teilweise erfolgreich vor koreanischen Gerichten angefochten. Weil sich Japans Regierung nach wie vor auf den Standpunkt stellt, mit dem Vertrag von 1965 alle Entschädigungsansprüche erledigt zu haben (das damals gezahlte Geld ging jedoch ausschließlich an koreanische Unternehmen, die auf diese Weise faktisch Entwicklungshilfe erhielten), wurde in Korea tätigen japanischen Unternehmen gerichtlich die Konfiskation ihres dortigen Vermögens angedroht. Im Gegenzug setzte Japan für die koreanische Wirtschaft wichtige Bevorzugungen im Außenhandel, insbesondere für den Export von Halbleiterelementen, außer Kraft. Südkorea kündigte deshalb an, Japan vor der Welthandelsorganisation anzuklagen. Diese gegenseitigen Repressalien sollen nun beendet werden.
Die japanische Regierung begrüßte diesen Vorschlag und fügte hinzu, es stehe japanischen Unternehmen frei, sich an der Entschädigungsstiftung zu beteiligen. Offensichtlich sind auch die USA äußerst interessiert (und vermutlich auf diplomatischer Ebene auch beteiligt) an einer raschen und friedlichen Beilegung dieses Konflikts.
Die südkoreanische Opposition kann diesem Plan jedoch wenig abgewinnen. Wieder einmal, wie im Fall der Vereinbarung zur Lösung der „Trostfrauen“-Frage 2015, sieht sie die Interessen der Betroffenen verletzt. Ob die Rechnung der beiden Regierungen daher diesmal aufgeht, ist eine offene Frage.
In einem Kommentar der linksliberalen Tagszeitung Hankyoreh vom 7. März heißt es denn auch:

Diese tragische und demütigende „Lösung“ macht den jahrzehntelangen Kampf der Opfer und die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, die diesen Bemühungen zum Erfolg verholfen hat, zunichte. …
Dies kommt einer einseitigen diplomatischen Niederlage für Seoul gleich, das die Position Tokios, alle Entschädigungsfragen seien mit dem 1965 von beiden Seiten unterzeichneten Abkommen zur Schadensregulierung abgeschlossen, voll und ganz akzeptiert hat. …
Es stimmt, dass die Zusammenarbeit zwischen Seoul und Tokio in einer unsicheren Sicherheitslage und einer sich schnell verändernden Weltordnung notwendig ist. Aber es gibt auch Prinzipien, die wir niemals aufgeben dürfen.
Die Mindestforderung, die von Menschen aus der ganzen Gesellschaft, einschließlich der Opfer selbst, geteilt wird, ist, dass die verantwortlichen Unternehmen sich entschuldigen und sich an der Entschädigung beteiligen.

Das Beitragsbild (Foto: Kim Jung-hyo/The Hankyoreh) zeigt am 6. März vor dem südkoreanischen Außenministerium gegen die Regierungspläne protestierende Koreaner. Der auf ihre orangefarbenen Plakaten zu lesende Slogan lautet 매국협상 mäguk hyŏpsang (賣國交渉), „vaterlandsverräterische Verhandlungen“, und läßt nichts Gutes für die Akzeptanz der Regierungspläne erwarten.


1Abgedruckt in Reinhard Zöllner (Hg.): Sources of Japanese-Korean Relations: Treaties, Agreements, and Declarations. Norderstedt 2017. ISBN 9783744881753