Einen inhaltlich ziemlich verqueren, aber ungleich langen Beitrag zur Diskussion um die Studienreformen alla Bolognese verziert die FAZ in ihrer Online-Ausgabe vom 17.4.2009 mit einem Bild Alexander Humboldts — und der Unterschrift: „Falscher Mann am falschen Ort“. Die Unterschrift ist nun wieder ungewollt so richtig, daß man fast an einen genialen Verfremdungseffekt glauben möchte. Im Text wird nämlich völlig zurecht auf Wilhelm von Humboldt verwiesen, den preußischen Kultusminister — und nicht auf dessen Bruder.

Im übrigen versteigt sich der Verfasser Uwe Schimank, Soziologe an der mit klassischer Lehre kaum betrauten Fernuni Hagen, zu der Behauptung, im Hintergrund der Auseinandersetzung stehe die Ablösung der alten bildungsbürgerlichen Elite durch die aufstrebende und nach gutbezahlten Berufen gierende kleinbürgerliche Schicht, gegen die (Wilhelm) Humboldts Argumente als Abwehrriegel der Professorenschaft gedient hätten.

An der soziologischen Beschreibung ist ja durchaus etwas dran. Aber erstens sollte man Humboldt doch etwas gründlicher lesen, dem es letztlich vor allem darauf ankam, innerhalb der Gesellschaft einen geschützten Ort der Freiheit des Denkens und Meinens zu etablieren, und der es als Aufgabe der Universität angesehen hat, junge Menschen zu dieser Freiheit zu erziehen. Die Gesellschaft tut gewiß gut daran, dieses Ideal nicht nur deswegen fallenzulassen, weil es allen möglichen gesellschaftlichen Akteuren lästig oder teuer geworden ist.

Und zweitens kann man an den Universitätssystemen Ostasiens (vor allem Japans und Koreas) sehr gut beobachten, wie man beides erreichen kann: soziale Mobilität und akademische Freiheit, ohne daraus einen ideologischen Antagonismus zu stricken. Denn hier hat man eines verstanden: Wer lediglich studiert, um seinen sozialen Aufstieg zu schaffen — unabhängig von seiner Begabung für wissenschaftliche Aufgaben –, dem sollte man diesen Wunsch ohne überflüssige Überbespruchung auch erfüllen. Den Rest wird der Arbeitsmarkt regeln. Die wenigen, denen dies nicht genügt und die zu mehr befähigt sind, fördert man dann durch ein wirklich anspruchsvolles Studium. So wird man allen gerecht, ohne gleichmacherisch alle auf dasselbe niedrige Niveau zu drücken.