Nun hat Nordkorea (aus welchen Gründen auch immer) heute morgen seine Ankündigung wahr gemacht und ohne Rücksicht auf die Proteste seiner Nachbarstaaten eine Langstreckenrakete gestartet, angeblich, um einen Satelliten in den Weltraum zu befördern. In Japan ist das Ereignis seit Tagen mit Nervosität beobachtet worden, zu der die Ankündigung der Regierung, im Falle einer sich abzeichnenden Bedrohung Japans einen Abschuß des Flugobjekts befohlen zu haben, gewiß beigetragen hat. Zur (einstweiligen) Erleichterung aller ist der Start jedoch ohne direkten Schaden vonstatten gegangen.

In den japanischen Medien hat man für die Rakete, deren wahrer Charakter (militärisch? zivil?) noch immer unklar ist, eine Bezeichnung gewählt, an die man sich noch gewöhnen wird: hishōtai 飛翔体, ein Wort, das in den gängigen Wörterbüchern fehlt. Hi 飛 bedeutet „fliegen“, shō 翔 sogar „hoch fliegen“, und tai 体 läßt sich als „Körper, Objekt“ interpretieren; also wörtlich ein „Hochflugkörper“. Anders als das in der Alltagssprache häufigere hikōtai 飛行体 = „Flugkörper“ (das durchaus auch für Raketen und Raumschiffe verwendet wird) handelt es sich hierbei aber um ein Flugobjekt, das nicht aus eigener Kraft fliegt, sondern abgeschossen wird — so wie z.B. ein Pfeil. Also ein „Fluggeschoß“.

Ein interessanter und wichtiger Nebenaspekt der Aufregung war die erfolgreiche Erprobung eines neuen Frühwarnsystems in Japan mit dem Namen Em-Net (エムネット, eigentlich kinkyū jōhō nettowāku shisutemu 緊急情報ネットワークシステム). Es verbindet die japanischen Massenmedien sowie die Selbstverwaltungskörperschaften auf eine in den Details geheimgehaltene Weise zur unverzüglichen landesweiten Weiterleitung wichtiger Warnmeldungen und hat in der jetzigen Krise auf Anhieb hervorragend funktioniert. Die erste Warnung erging am 4.4.2009 um 0:16 h; gemeldet wurde der Abschuß der nordkoreanischen Rakete. Der nationale Fernsehsender NHK schaltete sofort sämtliche Kanäle auf Nachrichtenbetrieb um und übermittelte die Meldung. Die privaten Fernsehsender folgten mit geringem Verzug. Fünf Minuten später freilich wurde klar, daß es sich um einen Fehlalarm handelte. Der zweite Einsatz von Em-Net am 5.4. um 11:30 Uhr war technisch genauso erfolgreich, und inhaltlich stimmte diesmal auch alles. Japan erscheint also gut gerüstet — für weitere unbekannte Fluggeschosse.