Alte Männer führen gern lose Reden. Das kann man zur Zeit in der deutschen Innenpolitik beobachten, aber z.B. auch in den USA. Natürlich kommt es auch in Japan vor. Dort trafen sich 1983 zwei führende Mitglieder des Unternehmerverbandes Nikkeiren 日経連 (Japan Federation of Employers‘ Associations; ging 2002 im Keidanren auf), um über die Vergangenheit zu schwatzen. Ihre Unterhaltungen wurden aufgezeichnet und 1983 in zwei Bänden im Verlag der (schon damals) extrem konservativen Tageszeitung Sankei Shinbun 産経新聞 veröffentlicht. Der Titel des Buches lautet Ima akasu Sengo Hishi いま明かす戦後秘史 — „Jetzt ans Tageslicht gebracht: Die geheime Geschichte der Nachkriegszeit“. Die beiden Herren waren Shikanai Nobutaka 鹿内信隆 (1911–1990) und „Mister Nikkeiren“ Sakurada Takeshi 櫻田武 (1904–1985). Sakurada, ein Absolvent der elitären Juristischen Fakultät der Universität Tōkyō, war bereits im Zweiten Weltkrieg in die Kriegswirtschaft verwickelt und besaß nach dem Krieg großen Einfluß auf die Wirtschaftspolitik der liberal-konservativen Regierungen. Er war fraglos einer der mächtigsten Wirtschaftskapitäne während des japanischen „Wirtschaftswunders“. Der sieben Jahre jüngere Shikanai hingegen hatte die private Waseda-Universität absolviert, bevor er die Heeresverwaltungsschule 陸軍経理学校 besuchte, von welcher er 1941 graduierte. Bis 1943 tat er Dienst im Rechnungswesen des Heeresministeriums, wurde 1954 in Vorbereitung der Einführung des Fernsehens Geschäftsführer von Nippon Hōsō, 1957 Geschäftsführer des privaten Fernsehsenders Fuji TV und ein Jahr danach Vorstand der Sankei Shinbun. Ein kleiner Treppenwitz der Geschichte: Von Südkoreas diktatorischem Präsidenten Park wurde ausgerechnet Shikanai für die Sankei Shinbun später mit dem Diplomatischen Verdienstorden ausgezeichnet — für faire Berichterstattung …
Das Altherrengespräch dieser öffentlichen Schwergewichte drehte sich im ersten Teil vor allem um die Kriegsjahre. Die beiden nahmen dabei kein Blatt vor den Mund. So kam es zu folgendem Wortwechsel:

Shikanai: So etwas konnte es wohl auch nur bei der Armee geben; also wenn man an die Front ging, gab es Puffs (pīya ピー屋) …
Sakurada: Richtig, die Einrichtung der Troststationen (iansho 慰安所).
Shikanai: Genau. Damals mußten wir Dinge entscheiden wie das Durchhaltevermögen und den Abnutzungsgrad der Frauen, die wir verpflegen mußten, und Frauen von woher dafür geeignet oder ungeeignet waren, oder wie lang, nachdem man unter ihren Vorhang gekrochen war, die „Besitzzeit“ war, bis man wieder herauskommen mußte: wie viele Minuten für Offiziere, für Unteroffiziere, für Mannschaften … [lacht]. Auch die Gebühren mußten wir abstufen. Dies alles regelte das „Programm für die Einrichtung von Puffs“ (pīya setchi yōkō ピー屋設置要綱), und auch das haben wir an der [Heeres-]Verwaltungsschule gelernt. Erst neulich haben wir Kameraden von der Verwaltungsschule uns versammelt und unsere Erinnerungen darüber ausgetauscht.

[Sakurada, Takeshi; Shikanai, Nobutaka: Ima akasu Sengo Hishi. Tōkyō: Sankei Shuppan Bd. 1. 1983, S. 40–41]

Ja, die Herren hatten sicher ihren Spaß an ihren Weltkriegs-Döntjes. Aber zehn Jahre später, als dann das Schicksal der (zum größeren Teil koreanischen) „Trostfrauen“ endlich öffentlich thematisiert wurde, konnte sich plötzlich niemand mehr daran erinnern …
Nun gut, der für faire Berichterstattung preisgekrönte Shikanai und Sakurada waren da bereits tot. Aber daß ausgerechnet Shikanais eigener Zeitungsverlag bis heute so tut, als sei da nichts gewesen, als sei die japanische Armee also nicht in die professionelle Organisation von Zwangsprostitution verwickelt gewesen, ist wenigstens … dreist.

(Hier das Zitat noch einmal auf japanisch, für alle Fälle:)

鹿内 これなんかも軍隊でなけりゃありえないことだろうけど、戦地へ行きますとピー屋が…..。
櫻田 そう、慰安所の開設。
鹿内 そうなんです。そのときに調弁する女の耐久度とか消耗度、それにどこの女がいいとか悪いとか、それからムシロをくぐってから出てくるまでの“持ち時間“が、将校は何分、下士官は何分、兵は何分…..といったことまで決めなければならない(笑)。料金にも等級をつける。こんなことを規定しているのが「ピー屋設置要綱」というんで、これも経理学校で教わった。この間も、経理学校の仲間が集まって、こんな思い出話をやったことがあるんです。