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Déja vu im Kino: Kimi no Na wa? (2016)

Der als potentieller Nachfolger von Miyazaki Hayao 宮崎駿 gehandelte Anime-Regisseur Shinkai Makoto 新海誠 (geb. 1973) besitzt eine besondere Leidenschaft für Brüche in der Zeit. Man sah das bereits 2004 im Science Fiction-Anime Kumo no Mukō, Yakusoku no Basho 雲のむこう、約束の場所 („Das Gelobte Land jenseits der Wolken“), dann wieder 2007 in dem Episodenfilm Byōsoku 5 Senchimētoru 秒速5センチメートル („Mit 5 cm in der Sekunde“), durchaus auch in Hoshi wo ou Kodomo 星を追う子ども („Kinder auf Sternenjagd“) und in Kotonoha no Niwa 言の葉の庭 („Der Garten der Wortblätter“) (2013). Schon bei diesen Filmen hatte ich den Eindruck, daß Shinkai starke Bilder mit esoterischen Andeutungen verknüpft, ohne daraus eine zündende Handlungsidee entwickeln zu können.
Sein jüngster Anime, Kimi no na wa 君の名は („Wie ist dein Name?“, englischer Titel: „Your name“), kam im August 2016 in die japanischen Kinos, wurde hoch gelobt und seither von rund 15 Mio. Japanern gesehen. Er ist damit der dritterfolgreichste Film der japanischen Filmgeschichte, noch vor Miyazakis Mononokehime.

Also habe ich ihn mir heute auch angesehen.
Um es kurz zu fassen: Mein Eindruck ist immer noch derselbe. Noch drastischer ausgedrückt: Seit Yakusoku no Basho ist Shinkais Erzählkunst nicht ein bißchen gewachsen; eher im Gegenteil. Obwohl inzwischen selbst ein Mitt-Vierziger, kreist er immer noch um die Gefühlswelt von Jugendlichen, die zweifellos kompliziert ist, was sich für Shinkai vor allem im ausgiebigen Gebrauch von Smartphones darstellt (zweifellos nicht ganz ohne Realitätsbezug). Und er benutzt jede Menge Shinto-Esoterik, um die schicksalhafte Fernbegegnung eines Jungen und eines Mädchens, die ständig (anfangs gegen ihren Willen) im Traum ihre Körper wechseln und dabei von einem Zeitsprung zum nächsten eilen, halbwegs plausibel zu machen. Es ist natürlich die weise Großmutter, die als Wächterin eines ins 5. Jahrhundert (!) zurückgehenden Shinto-Schreins in Hida 飛騨 das Schlüsselkonzept kennt, mit dem alle Handlungsenden verbunden werden: musubi 結び, das „Band“, nach ihrer Erklärung ein altes shintoistisches Konzept, durch das Menschen miteinander und mit den Göttern und mit den verschiedenen Dimensionen der Zeit verknüpft werden.
Das kratzt zwar nicht besonders tief, verbindet sich aber mit pubertärem (und zur Zeit populistisch-gefälligem) Widerstand gegen den traditionsvergessenen und machtbesessenen Vater, der (wie unweise) auf sein Amt als Shinto-Priester verzichtete, um Bürgermeister zu werden. „Es riecht nach Korruption“, stellt ein Schulkamerad der Heldin fest, die den Namen … Moment, gleich fällt es mir wieder ein … grübel …
Dabei ist das mit den Namen ganz einfach. Die weise Großmutter heißt Hitoha („Einblatt“). Ihre vor Jahren gestorbene Tochter heißt Futaba („Zweiblatt“). Unsere Heldin heißt logischerweise Mitsuha („Dreiblatt“) und ihre kleine Schwester Yotsuha („Vierblatt“). Simpler geht’s doch gar nicht.
Doch Mitsuhas imaginärer Doppelgänger in Tokyo (er heißt übrigens Taki) kann sich ihren Namen partout nicht merken. Das ist die Pointe des Films.
Und eigentlich eine ziemlich billige Masche. Denn Kimi no Na wa? ist ja nicht irgendein Titel. In der Nachkriegszeit lief unter diesem Namen eine Fortsetzungsgeschichte im japanischen Radio, die ungeheuren Erfolg hatte. Das Drehbuch stammte von Kikuta Kazuo 菊田 一夫. Hier ging es auch um zwei junge Leute, Machiko und Haruki, die nach einer schicksalhaften Begegnung lange nicht zusammenkommen konnten. Natürlich spielt Shinkai auf diese Geschichte an, die vor allem der älteren Generation der heutigen Japaner noch tief ins Gedächtnis gebrannt ist. Aber nun kommt das eigentlich Skandalöse: Machiko und Haruki begegnen einander im Krieg. Ihre Geschichte hat einen für die Menschen damals tiefernsten Hintergrund. Bei Shinkai ist das bedeutendste Ereignis seiner Geschichte dagegen ein Dorffest vor dem örtlichen Shinto-Schrein. Es riecht nicht nur nach Korruption. Es riecht nach Hinterwald.
„Ich will hier raus!“, schreit Mitsuha bei einer Gelegenheit, weil ihr die Belanglosigkeit dieses historischen Niemandslandes auf die Nerven geht. Dasselbe Gefühl hatte ich beim Betrachten dieses Filmes leider auch. Passable Bilder. Laute Musik. Und irgendwie belanglos.