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Der Socotra-Fels: noch ein Konflikt(chen)

Zu den Territorien, auf die Südkoreas Präsident Yi Sŭngman im Zuge der Vorbereitung des Friedensvertrages von San Francisco 1951 Besitzansprüche anmeldete, gehörte neben der Insel Dokdo (Takeshima) auch eine Insel namens Parangdo 波浪島. Was er damit genau meinte, blieb seinen Adressaten — den USA — damals allerdings verborgen. Man kam auch niemals wieder darauf zu sprechen. Parangdo war damals nicht viel mehr als eine Märcheninsel.
Erst später identifizierte man in Südkorea damit ein Riff, das in westlichen Sprachen unter dem Namen Socotra-Fels bekannt ist, seit es von einem gleichnamigen britischen Schiff 1900 entdeckt wurde. Seit 2001 heißt dieses zum größten Teil unter Wasser stehende Fleckchen Erde auf koreanisch offiziell Iŏdo 離於島; das bedeutet „Insel in der Ferne“, und das trifft es ganz gut — bis auf den Umstand, daß es sich nach internationalen Maßstäben eben nicht um eine Insel handelt, aus der sich Gebietsansprüche ableiten ließen.
Das Riff liegt rund 150 km südwestlich von Jeju (Südkorea), 275 km westlich von Torishima (Japan) und 290 km nordöstlich der Insel Yushan (VR China). Nach südkoreanischer Interpretation steht es unter südkoreanischer Verwaltung, denn seit 1995 gibt es hier eine Meeresforschungsstation.
Natürlich hat die VR China die südkoreanischen Ansprüche nie anerkannt. Dort nennt man das Riff Suyan-Riff 苏岩礁 und rechnet es zu seiner exklusiven Wirtschaftszone. Aber dasselbe behauptet Südkorea von sich. Im September 2012 zeigte sich die südkoreanische Regierung besorgt über zunehmende Aktivitäten chinesischer Kriegs- und Zivilschiffe in der Region und betont ihre Entschlossenheit, ihre Ansprüche mit Hilfe der verbündeten US-Amerikaner zu verteidigen. Damit reagierte Südkorea auch auf die Ankündigung Chinas, den Luftraum über dem Riff mit Hilfe von Drohnen zu überwachen. China dementierte diesen Plan allerdings im Oktober 2012 wieder — möglicherweise aus taktischen Gründen, um Südkorea nicht in die Arme Japans zu treiben, mit dem es sich ja um andere Dinge streitet.
Die japanische Kriegsmarine hat den Felsen 1938 ihrerseits vermessen; den Plan, dort eine Meeresforschungsstation einzurichten, gab sie wegen des Krieges allerdings auf. Was nicht bedeutet, daß Japan in der Gegend keine Ansprüche anmeldete: 1945 richtete Japan eine Flugüberwachungszone nach Vorgaben der alliierten Besatzungsmächte ein, die bis heute gilt — und die den Luftraum über dem Socotra-Felsen einschließt. Alle koreanischen Flugzeuge, welche die Gegend ansteuern, müssen ihre Flüge daher vorher bei den japanischen Behörden anmelden!
Nun hat sich zusätzlich die VR China die Lufthoheit in derselben Region angemaßt. Ein Grund mehr zur Besorgnis? Ach wo. Das südkoreanische Außenministerium schweigt dazu. Dann meldet man die Flüge eben zweimal an. Und hält an der Illusion fest, es gebe drunten im Meer noch etwas zu verteidigen.