In den Konflikt- und Kriegsregionen dieser Erde kann der Fußball helfen bei der Suche nach gemeinsamen Identitäten und den Regeln für ein Zusammenleben ohne Hass und Gewalt.

(Uli Jäger: Fußball zwischen Ersatzkrieg und Völkerverständigung — eine friedenspädagogische Betrachtung)

Am 28. Juli 2013 hat Japans Fußballnationalmannschaft der Männer die südkoreanische Auswahl in Seoul beim Ostasien-Cup mit 2:1 besiegt. Im 73. Aufeinandertreffen bedeutete dies erst den 15. japanischen Sieg (bei 39 Niederlagen und 18 Unentschieden). Das weiß ich so genau, weil es darüber einen eigenen Eintrag in der japanischen Wikipedia gibt. Er trägt den Titel Nikkansen (sakkā) 日韓戦 (サッカー), also „Japanisch-südkoreanische Schlachten (Fußball)“. Es existiert auch ein koreanisches Pendant mit dem korrespondierenden Titel Han-Il jeon (Chukku) 한일전_(축구). Da sieht die Bilanz auf der Basis von 76 Länderspielen etwas anders aus, aber die Tendenz ist eindeutig.

Bilanz der Fußball-Länderspiele Japan--Südkorea (Männer)

SpieleJapanische SiegeUnentschiedenSüdkoreanische SiegeWikipedia-Version
73151839Japanisch
76171841Koreanisch
Stand: 28.7.2013
Ich weiß nicht, warum sich Japan und Südkorea noch nicht einmal darauf einigen können, wieviele Länderspiele man gegeneinander ausgetragen hat. Aber die Funktion des Fußballfeldes als Ersatz-Kriegsschauplatz deutet sich hier vielleicht schon an: Im Deutschen nennt man solche Begegnungen „Spiel“, auf japanisch und koreanisch „Schlacht“. Honi soit qui mal y pense.
Ganz in diesem kriegerischen Geist haben sich am Sonntag auch die Fans beider Mannschaften verhalten. Die berüchtigten südkoreanischen „Roten Teufel“ entfalteten u.a. Banner mit den Fotos von Yi Sunshin (der Admiral, der zur Zeit der Hideyoshi-Invasionen Ende des 16. Jhs. die japanische Flotte niederhielt) und An Junggeun (der 1909 das Attentat auf Ito Hirobumi verübte). Hinzu kamen weitere Banner, auf denen auf die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Ländern angespielt wurde.
Banner der südkoreanischen Fußball-Fans am 28.7.2013 im Spiel gegen Japan
Auf Anweisung der FIFA rollten die Fans diese Banner später wieder ein, denn die FIFA duldet keine politischen Manifestationen während der Spiele. Die linksliberale Zeitung Hankyoreh erwähnt, daß die japanischen „Ultras“ auf der Gegenseite ihrerseits die alte japanische Kriegsflagge (Kyokujitsuki 旭日旗) zeigten (in der japanischen Hankyoreh-Version steht fälschlich Nisshōki 日章旗, „Sonnenbanner“, in der koreanischen korrekt 욱일승천기, 旭日昇天旗.)

Es ist nicht das erste Mal, daß japanische Fans mit dieser Flagge bei ihren Nachbarn unangenehm auffallen; 2008 warnte die japanische Botschaft in Beijing japanische Touristen ausdrücklich, sie während der Olympischen Spiele dort zu zeigen. In japanischen Fan-Kreisen heißt es, der japanische Fußballverband fordere seine Anhänger mit Rücksicht auf die FIFA auf, diese Flagge nicht zu zeigen.
(Auch koreanische Überempfindlichkeiten gegen diese Flagge sind dokumentiert: 2012 beschwerte sich eine koreanische Studentin an der University of Missouri darüber, ein Universitätsteam benutze sie als Logo, und sie fühle sich dadurch verletzt. Tatsächlich wurde diese Mannschaft wohl durch ein einheimisches Restaurant namens Sunshine Sushi gesponsort, das damit nicht die geringsten politischen Absichten verbunden hatte.)
Der Redakteur der Hankyoreh fragt am Ende selbstkritisch:

Was bedeuten im Sport die Schlachten zwischen Südkorea und Japan letztlich für uns? Sind sie wirklich eine Bühne dafür, „Japan zu überwinden“, unbedingt siegen zu müssen, indem wir an die Schamlosigkeit der japanischen Rechtsextremisten erinnern, die ihre mit Schandtaten besudelte Vergangenheit und den von ihnen ausgelösten Eroberungskrieg nicht bedauern?

Mag sein, daß dies so ist, und zwar nicht nur in Ostasien. Aber in der Überschrift ihres Artikels gibt die Zeitung die richtige Antwort:
Laßt uns endlich mit dem Sport-Nationalismus aufhören — ‘스포츠 민족주의’ 이젠 그만 — ‘スポーツ民族主義’もうやめよう!
Wer übrigens genau hinschaut, bemerkt, daß die koreanischen Roten Teufel ihre provokativen Banner direkt über ein Werbebanner von Toshiba plaziert hatten. Die Geschäfte gehen also friedlich weiter. 1:0 für den Kapitalismus.

(Die Anregung zu diesem Eintrag erhielt ich durch eine Wortmeldung von Mishima Kenichi, den die einseitige Berichterstattung über diesen Zwischenfall durch die japanischen Medien stört: Von den japanischen Provokationen ist dort nicht die Rede. Wie üblich.)