Am 3. Juni 2013 verstarb überraschend und viel zu früh Dieter Born, mein erster Verleger und mein Freund seit fast 30 Jahren.
Ich lernte Dieter kennen, als ich Ende 1983 zum ersten Mal nach Japan kam. Für die erste Zeit wohnte ich im Kōdōkan, der Mutterstätte des Judosports. Unter den damals wenigen Ausländern, die dort trainierten, hatte sich bereits herumgesprochen, daß ein weiterer Deutscher eintreffen sollte; so wurde Dieter auf mich aufmerksam. Er studierte damals Japanologie in Bonn und ging als Austauschstudent an die Waseda-Universität in Tōkyō. Er war viel länger als ich vom Judo begeistert (sein Vater hatte ihn als Jugendlichen trainiert), und daß wir uns im Kōdōkan begegneten, war nahezu zwangsläufig. Er nahm mich auch zum Dōjō der Waseda-Universität mit, wo mir das Training allerdings (wie ich zugeben muß) zu hart war. Mit seiner Körpergröße überragte er im damaligen Japan die meisten Einheimischen und war schon deswegen ein gesuchter Trainingspartner. Bei seiner japanischen Hochzeitsfeier war deshalb die größte Herausforderung, für ihn einen passenden Hakama zu finden.
Sein Studium hat Dieter zwar nie zuende geführt. Er beherrschte die japanische Sprache aber dermaßen vorzüglich, daß er auch ohne formellen Abschluß zu einem erstklassigen Übersetzer und Dolmetscher wurde. Auf diesen Erfolg aufbauend, entschied er sich dafür, einen eigenen Verlag zu gründen, der eine Plattform für japanbezogene Publikationen werden sollte. Dieser Weg war für ihn und seine junge Familie mit Risiken und Härten verbunden, die er mit großem Engagement und nicht nachlassendem Ideenreichtum überwand. Als Verleger schuf er das Japan-Magazin, das als Monatszeitschrift ein buntes Spektrum des heutigen und des historischen Japan abdeckte. Während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Düsseldorf machte mich Dieter zum Redakteur. Einmal in der Woche fuhr ich von Düsseldorf nach Bonn. Es war eine wunderbare Zeit der Zusammenarbeit. Die Finanzierung der Zeitschrift fiel nie leicht, seit wegen der Dauerkrise in der japanischen Wirtschaft die Anzeigen japanischer Großkunden immer öfter ausblieben. Dennoch ist es Dieter gelungen, 183 Ausgaben zu veröffentlichen — ein beachtlicher Erfolg, hinter dem viele schlaflose Nächte, viele mühsame Gespräche mit Inserenten und auch Abonnenten standen. Viel Geld war hier nicht zu verdienen. Daß Dieter dennoch nicht aufgegeben hat, ist wirklich bewundernswert. Dem Japan-Magazin trat vorübergehend noch das Judo-Sport-Journal zur Seite, für das Dieter führende Sportjournalisten gewinnen konnte. Vielen Studenten der Japanologie bot Dieter in seinem Verlag als Redakteuren oder Praktikanten einen dankbaren Einstieg in die journalistische und verlegerische Praxis.
Meine beiden ersten Bücher hat Dieter in seinem Verlag ebenfalls veröffentlicht. Meine Doktorarbeit war 1995 die erste größere Monographie. Es hat bis 2010 gebraucht, bis sie ausverkauft war, aber der Gewinn stand für Dieter nicht im Vordergrund. Andere Autoren folgten. Insbesondere konzentrierte sich Dieter auf vielbeachtete Bücher zur Geschichte und Didaktik des Judo-Sports — keine billigen Schnellschüsse, mit denen sich leicht Geld verdienen ließ, sondern von exzellenten Fachleuten geschriebene, sorgfältig erstellte, von Fachleuten hochgelobte Werke. Für viele, die heute Judo üben — Kinder ebenso wie Erwachsene –, gehören sie zur Bibliothek.
Seine Leidenschaft für Judo und für die japanische Sprache gipfelten dann in den großartigen Übersetzungen japanischer Judo-Klassiker, die Dieter in den letzten Jahren schuf und verlegte. Dazu gehörten das „Kodokan-Judo“ von Kanō Jigorō und die beiden Bände Kodokan-Wurftechniken von Daigo Toshirō, einem der brillantesten Techniker des Judo, den Dieter zeit seines Lebens hochverehrt hat.
Dieter hatte mit dem Verlagsgeschäft mehr als genug zu tun. Dennoch hat er nie damit aufgehört, auch auf der Judo-Matte aktiv zu sein. Er konzentrierte sich auf die Kata und wurde zu einem Fachmann und erfolgreichen Tournierteilnehmer in dieser, seit etwa 20 Jahren rapid an Beliebtheit zunehmenden Disziplin. An zahlreichen Kata-Wettbewerben im In- und Ausland nahm er teil, zuletzt noch im Mai 2013. Ich habe ihn immer darum beneidet, seitdem ich selbst wegen eines Wirbelsäulenproblems nicht mehr aktiv sein kann.
Dieters Leidenschaft für Japan hörte nicht beim Judo auf. Er engagierte sich auch in der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Bonn, deren Leitung er für mehrere Jahre übernahm. Als ich 2008 nach Bonn ging, bin ich ihm in dieser Funktion wiederbegegnet. Ich hätte mir nichts mehr gewünscht, als ihn noch länger hier zu wissen — als unabhängigen, begeisterungsfähigen und selbstkritischen Freund Japans. Als meinen Freund.