Am Ende seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen vom 27. September 2012 äußerte sich der Außenminister der Volksrepublik China, Yang Jiechi, zum chinesisch-japanisch-taiwanischen Streit um die Senkaku-Inseln wie folgt:

Die Senkaku-Inseln und die zu ihnen gehörigen Inseln waren seit alters her ein integraler Bestandteil von Chinas Territorium. China besitzt unbezweifelbare historische und legale Beweise dafür. Japan ergriff diese Inseln 1985 am Ende des (ersten) chinesisch-japanischen Krieges und zwang die damalige chinesische Regierung, einen Ungleichen Vertrag zu unterzeichnen, um diese Inseln und andere chinesische Territorien an Japan abzutreten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Senkaku-Inseln und andere chinesische Territorien, die Japan besetzt hatte, in Übereinstimmung mit der Erklärung von Kairo, der Potsdamer Erklärung und anderen internationalen Dokumenten an China zurückgegeben. Indem sie einseitige Handlungen wie den sogenannten „Inselkauf“ durchgeführt hat, hat die japanische Regierung Chinas Souveränität schwerwiegend verletzt. Dies ist eine ausgesprochene Leugnung der Ergebnisse des Sieges im antifaschistischen Weltkrieg und stellt eine schwere Herausforderung der internationalen Nachkriegsordnung und der Ziele und Grundlagen der Charta der Vereinten Nationen dar. Die von Japan unternommenen Handlungen sind völlig illegal und ungültig. Sie können auf keine Weise die historische Tatsache verändern, daß Japan die Senkaku-Inseln und die zugehörigen Inseln von China gestohlen hat und daß China über sie territoriale Souveränität besitzt.

Die Äußerung, Japan habe die Senkaku-Inseln „gestohlen“, stieß in Japan auf helle Empörung. Japans UN-Botschafter widersprach Yang noch an Ort und Stelle. Freilich hatte Yang seine Worte mit Bedacht gewählt. Er zitierte damit aus der (von ihm gleichfalls erwähnten) Kairoer Erklärung von US-Präsident Franklin D. Roosevelt, dem chinesischen General Chiang Kai-shek und dem britischen Premierminister Winston Churchill vom 1.12.1943, in der es über deren Kriegsziele heißt:

Es ist das Ziel [der Alliierten], daß Japan alle Inseln im Pazifik abgenommen werden sollen, welche sie seit dem Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 ergriffen oder besetzt hat, und daß alle Territorien, welche Japan von den Chinesen gestohlen hat, u.a. die Manjurei, Formosa und die Pescadoren, an die Republik China zurückgegeben werden sollen. Japan wird auch von allen anderen Territorien vertrieben werden, welche es durch Gewalt und Gier genommen hat.

Da die Kairoer Erklärung zunächst auf das Jahr 1914 als rückwärtige Zeitgrenze verweist (wovon die Senkaku-Inseln nicht betroffen wären), hob Yang natürlich darauf ab, die Senkaku-Inseln als „gestohlenes Territorium“ darzustellen, damit die Kairoer Erklärung hierauf angewendet werden könnte. Aber dies ist Interpretationssache, denn sie werden eben nicht wörtlich aufgezählt. Sie sind nicht mit Gewalt erobert worden, und ob reine „Gier“ (englisch: greed) völkerstrafrechtlich geächtet ist, wage ich zu bezweifeln.

Um die Situation der USA zu verstehen, die in dieser Frage Äquidistanz wahren und alle Seiten zu friedlichem Vorgehen ermahnen, lohnt sich ein Blick auf deren Rechtsposition. Sie wurde am 30.9.1996 in einem Rechtsgutachten für den US-Senat von Larry A. Niksch, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter, wie folgt dargestellt und von WikiLeaks veröffentlicht:

(…) China behauptet, dass Fischer aus Taiwan die Inseln seit der Zeit der Ming-Dynastie (1368-1644) für die Fischerei verwendeten. Reisen von chinesischen Gesandten in Okinawa während dieser Zeit werden angeführt, denn diese Abgesandten hielten manchmal fest, daß die westliche Grenze der Ryūkyū-Inseln (Okinawa ist die größte Insel der Ryūkyūs) an einem Punkt östlich der Senkaku-Inseln (Diaoyu) lag. 1893 schenkte die Kaiserinwitwe von China, Tze Shih, die Insel einem Sheng Hsuan Wai, der medizinische Kräuter auf ihnen sammelte. Doch China legte nie eine dauerhafte Ansiedlung von Zivilisten oder Militärs auf den Inseln an und unterhielt offensichtlich keine ständigen Seestreitkräfte in benachbarten Gewässern.
Japan erhob bis zum chinesisch-japanischen Krieg von 1894–1895 keinen Anspruch auf die Inseln. Am 14. Januar 1895 genehmigte der Kaiser eine kaiserliche Verordnung zur Annexion der Senkaku-Inseln. Im Mai 1895 unterzeichneten Japan und China den Vertrag von Shimonoseki zur Beendigung des Krieges. Nach dem Vertrag trat China Taiwan (Formosa) an Japan „zusammen mit allen zugehörigen oder zur besagten Insel Formosa gehörenden Inseln“ ab. Der Vertrag erwähnte die Senkaku-Inseln nicht, und die Inseln wurden während der Verhandlungen nicht diskutiert. Japan behauptet deshalb, dass seine Inbesitznahme der Senkaku-Inseln ein von dem chinesisch-japanischen Krieg getrennter Akt war. China argumentiert, dass Japan seinen Sieg im Krieg dazu benutzte, die Inseln zu annektieren. China argumentiert auch, dass es die Absicht der alliierten Erklärungen auf Kairo und Potsdam während des Zweiten Weltkriegs war, China die von Japan durch militärische Aggression genommenen Gebiete zurückzuerstatten.

US-Verwaltung der Inseln 1953-1971

Die US-Verwaltung der Inseln begann im Jahr 1953 als Folge des Friedensvertrag mit Japan von 1951. Der Vertrag erwähnte die Senkaku-Inseln nicht, bezog sich aber auf andere Inseln, die unter chinesische Kontrolle zurückgekehrt waren oder die von China beansprucht wurden. Dazu gehörten Taiwan, die Pescadoren, die Spratly- und die Paracel-Inseln. Artikel 3 gab den Vereinigten Staaten die alleinigen Befugnisse zur Verwaltung der „Nansei Shotō südlich von 29 nördlicher Breite (einschließlich der Ryūkyū- und Daitō-Inseln) …“ Im Jahr 1953 veröffentlichte die US-Zivilverwaltung der Ryūkyūs die Erklärung 27 der US-Zivilverwaltung der Ryūkyūs (USCAR 27), die die Grenzen der „Nansei Shotō südlich von 29 Grad nördlicher Breite“ unter Einschluß der Senkaku-Inseln definiert. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Okinawa-Rückgabe-Vertrages machten mehrere Beamte des US-Außenministeriums geltend, daß nach der Unterzeichnung des Friedensvertrag mit Japan „Nansei Shotō südlich von 29 Grad nördlicher Breite“ „von den Vereinigten Staaten und Japan unter Einschluß der Senkaku-Inseln verstanden wurde.“ Außerdem unterhielt während der US-Verwaltung die US-Marine Schießstände auf den Inseln und zahlte eine jährliche Miete von 11.000 USD an Jinji Koga, den Sohn des ersten japanischen Siedlers auf den Inseln.

Einbezug der Senkaku- (Daiyu-) Inseln in den Okinawa-Rückgabe-Vertrag

Der am 17. Juni 1971 unterzeichnete und durch den US-Senat am 10. November 1971 ratifizierte Okinawa-Rückgabe-Vertrag sah die Rückgabe „aller Befugnisse der Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtsprechung“ über die Ryūkyū- und Daitō-Inseln an Japan vor, die die Vereinigten Staaten unter dem Friedensvertrag mit Japan besessen hatten. Artikel I des Okinawa-Rückgabe-Vertrages definiert den Begriff „die Ryūkyū- und Daitō-Inseln“ als „alle Gebiete mit ihren Hoheitsgewässern, bezüglich derer das Recht der Ausübung aller Befugnisse der Verwaltung, Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit den Vereinigten Staaten von Amerika gemäß Artikel 3 des Friedensvertrages mit Japan zuerkannt wurde … “ Ein gemeinsames Protokoll zum Okinawa-Rückgabe-Vertrag definiert die Grenzen der Ryūkyū- und Daitō-Inseln „wie bestimmt in“ USCAR 27. Darüber hinaus scheinen die Längen-und Breitengrade, die in dem gemeinsamen Protokoll aufgeführt werden, die Senkaku-Inseln (Diaoyus) einzuschließen; dies wurde von der chinesischen Regierung und von Unterstützern der chinesischen Ansprüche anerkannt, die in den Anhörungen zum Okinawa-Rückgabe-Vertrag des Senatsausschusses für Internationale Beziehungen aussagten. Ein Brief vom 20. Oktober 1971 von Robert Starr, dem amtierenden stellvertretenden Rechtsberater für ostasiatische und pazifische Angelegenheiten — der auf Anweisung des Außenministers William Rogers handelte — besagt, daß der Okinawa-Rückgabe-Vertrag „die Bedingungen enthalten für die Rückgabe der Ryūkyū-Inseln einschließlich der Senkaku-Inseln.“

US-Position zu den konkurrierenden Ansprüchen

Als der Okinawa-Rückgabe-Vertrag dem US-Senat zur Ratifizierung vorgelegt wurde, behauptete das Außenministerium, daß die Vereinigten Staaten trotz der Rückkehr von den Inseln unter japanische Verwaltung eine neutrale Position in Bezug auf die konkurrierenden japanischen und chinesischen Ansprüche auf die Inseln einnahmen. Beamte des Außenministeriums versicherten, daß die Rückgabe der Verwaltungsrechte an Japan keinerlei Ansprüche auf die Inseln präjudiziere. Auf die Frage des Vorsitzenden der Senatsausschusses für Internationale Beziehungen, wie der Okinawa-Rückgabe-Vertrag die Bestimmung der Souveränität über das Senkaku-Inseln beeinflussen würde, antwortete Außenminister William Rogers, daß „dieser Vertrag die Rechtsstellung dieser Inseln überhaupt nicht berührt.“ In seinem Schreiben vom 20. Oktober 1971 stellt der amtierende stellvertretender Rechtsberater Robert Starr fest:
„Die Regierungen der Republik China und Japan liegen im Streit um die Souveränität über die Senkaku-Inseln. Sie [you] sollten auch wissen, daß die Volksrepublik China auch die Souveränität über die Inseln beansprucht. Die Vereinigten Staaten glauben, daß eine Rückkehr der administrative Rechte über diese Insel zu Japan, von dem die Rechte empfangen wurden, in keiner Weise die zugrunde liegenden Forderungen präjudizieren kann. Die Vereinigten Staaten können nicht die legalen Rechte vermehren, die Japan besaß, bevor es die Verwaltung der Inseln an uns übertrug, noch können die Vereinigten Staaten, indem sie das zurückgeben, was sie erhalten haben, die Rechte der anderen Anspruchsberechtigten mindern. Die Vereinigten Staaten haben keinen Anspruch auf die Senkaku-Inseln erhoben und sind der Auffassung, daß alle widerstreitenden Ansprüche auf die Inseln von den betroffnenen Parteien gelöst werden müssen.“
Nachfolgende US-Regierungen haben diese Position der Neutralität in Bezug auf die Ansprüche wiederholt. Inmitten der aktuellen Spannungen haben das Außenministerium und die US-Botschaft in Japan diese Position bekräftigt.

Der amerikanisch-japanische Sicherheitsvertrag und die Inseln

Die Einbeziehung der Senkaku-Inseln in den Okinawa-Rückgabe-Vertrag unter die Definition von „den Ryūkyū- und Daitō-Inseln“ machte Artikel II des Vertrags für die Inseln anwendbar. Artikel II besagt, daß „Verträge, Übereinkommen und andere zwischen Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika geschlossenen Abkommen, einschließlich, aber nicht begrenzt auf den Vertrag gegenseitigen Zusammenarbeit und Sicherheit zwischen Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika … ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Abkommens auf die Ryūkyū-Inseln und die Daito-Inseln anzuwenden sind.“ „Okinawa“ als Kurzform für das durch den Vertrag abgedeckte Gebiet benutzend, erklärte Staatssekretär Rogers in seiner Zeugenaussage vor dem Ausschuß für Internationale Beziehungen, daß der Sicherheitsvertrag genauso „für Okinawa anwendbar wird“ wie für die japanischen Heimatinseln. Der Stellvertretende Verteidigungsminister David Packard betonte in seiner Aussage, daß Japan die „Hauptverantwortung“ für die Verteidigung des Vertragsbereiches übernehme, aber daß der Sicherheitsvertrag anzuwenden sei.
Kurz gesagt, während die Vereinigten Staaten ihre Neutralität gegenüber den konkurrierenden Ansprüche beibehielten, stimmten die Vereinigten Staaten im Okinawa-Rückgabe-Vertrag zu, den Sicherheitsvertrags auf das Vertragsgebiet einschließlich der Senkaku-Inseln anzuwenden. Es sollte auch darauf hingewiesen, daß bei der Ratifizierung des Vertrags der Senat nicht auf den Rat von mehreren Ausschußzeugen einging, daß die Ratifikationsurkunde Vorbehalte in Bezug auf die Senkaku-Inseln einschließen sollte. Darüber hinaus erklärt der Sicherheitsvertrag selbst in Artikel V, daß jede Vertragspartei „in Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften und Prozessen“ in Reaktion auf „einen bewaffneten Angriff … in den Gebieten unter der Verwaltung von Japan“ handeln würde. „Verwaltung“ statt „Souveränität“ ist der entscheidende Unterschied, der für die Inseln gilt. Seit 1971 haben die Vereinigten Staaten und Japan die Anwendung des Sicherheitsvertrages auf die Inseln nicht verändert.