Während sich Japans Öffentlichkeit darüber ärgert, daß der mittlerweile zurückgetretene Firmenchef von Tepco, Shimizu Masataka 清水正孝, ein Jahreseinkommen von 72 Mio. Yen (ca. 622.000 Euro) erzielte (was im europäischen Rahmen eher bescheiden für einen Stromkonzern wirkt; RWE-Vorstandsvorsitzender Jürgen Großmann bekam 2008 mehr als 9 Mio. Euro), beweist das Unternehmen beinahe täglich erneut, daß es in Vergangenheit und Gegenwart durch einen erschreckenden Mangel an Lernfähigkeit gekennzeichnet war.
Yuri Kageyama und Justin Pritchard von Associated Press nahmen jetzt Einsicht in einen doppelseitigen Aktenvermerk, den Tepco 2001 Japans Reaktorsicherheitsbehörde NISA vorlegte. Tepco nahm darin Stellung zu einer möglichen Gefährdung der AKW Fukushima I und II durch Tsunami, führte darin kurz historische Daten auf, spielte einige Szenarios durch — und kam zu dem Schluß, vor mehr als 5,70 m hohen Tsunamis müsse man sich dort nicht fürchten. 2010 wurde die Gültigkeit dieser Annahmen ohne weitere Nachprüfung bestätigt. Aber auch die NISA prüfte nichts nach — obwohl längst neue Erkenntnisse vorlagen, die für die Vergangenheit wesentlich höhere Tsunamis nachwiesen und für die Zukunft mit erhöhter Erdbebengefahr argumentierten. Für Tepco waren diese Erkenntnisse irrelevant. Man habe alle vorliegenden Daten berücksichtigt, hieß es zur Verteidigung — nachweislich zu Unrecht. Auf die 2011 erreichte Tsunami-Höhe von 14 Meter war man nicht vorbereitet.
Neuen Ärger verursachte das Unternehmen, das im abgeschlossenen Geschäftsjahr 2010-2011 den Rekordverlust von 1,2 Bio. Yen (10,4 Mrd. Euro) erwirtschaft hat, als es am 28. Mai abends bemerkte, daß die Seewasserpumpe in Reaktor 5 von Fukushima I defekt war und folglich die Kühlwassertemperatur anstieg. Man entschied sich aber dafür, die Pumpe erst am 29. morgens zu reparieren — und die Öffentlichkeit so lange lieber nicht über den neuen Zwischenfall zu informieren. Man habe ja alles im Griff, hieß es.