Nachrichten aus unterschiedlichen Teilen Asiens bestätigen den Eindruck, daß wir nicht nur in Europa an der Schwelle zu einem neuen Körper-, Nacktheits- und Pornographiediskurs stehen.
In der Präfektur Tokyo wird über einen Gesetzentwurf beraten, der den Pornographie- und Gewalt-Begriff erstmals auch auf „nicht-existierende“ (非存在, also virtuelle) Körper ausdehnt, d.h. vor allem, auf Darstellungen in Manga und Anime. Nun ist Japan für seine graphische Verarbeitung von Sex und Gewalt auf hohem Niveau und mit hohem Kommerzialisierungsgrad seit langem bekannt (man denke nur an Shunga 春画). Die konservativen Parteien im Präfekturparlament wollen dem aber aus Jugendschutzgründen nun einen Riegel vorschieben. Die regierende Demokratische Partei hat allerdings Bedenken hinsichtlich der Meinungs- und Kunstfreiheit angemeldet, so daß die Entscheidung vorerst verschoben wird. Die öffentliche Aufmerksamkeit für solche Fragen ist deutlich gestiegen: 2009 wurden der Polizei landesweit 725 Fälle von Kindesmißbrauch gemeldet, das sind 15 % mehr als zuvor. Zum vierten Mal hintereinander ist dabei die Zahl von Mißbrauchsfällen innerhalb der eigenen Familie gestiegen.
Gleichzeitig hat die Stadt Taipei eine „Selbstverwaltungs-Verordnung zum Brustfüttern an öffentlichen Plätzen“ (公共場所母乳哺育自治条例) in Kraft gesetzt, die stillenden Müttern ab sofort erlaubt, in der Öffentlichkeit ihren Babies die Brust zu geben. Wer versucht, sie daran zu hindern, muß mit einem Bußgeld rechnen. Das taiwanische Parlament überlegt, diese Regelung in ein landesweites Gesetzt umzusetzen, um stillende Mütter vor Anfeindungen in der Öffentlichkeit zu schützen. Offenbar ist auf Taiwan (wie übrigens auch in Japan) die Toleranz der Öffentlichkeit selbst gegenüber einer aus guten und nicht-pornographischen Gründen entblößte Brust so sehr gesunken, daß man Mütter auf diesem Wege in Schutz nehmen will.
Im Oktober 2008 verabschiedete das indonesische Parlament auf Drängen islamistischer Parteien ein Gesetz gegen Pornographie, das noch ganz andere Gefahren mit sich bringt. Es definiert Pornographie als „pictures, sketches, photos, writing, voice, sound, moving picture, animation, cartoons, conversation, gestures, or other communications shown in public with salacious content or sexual exploitation that violate the moral values of society“; wer sich in diesem Sinne der Pornographie schuldig macht, muß mit bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe rechnen. Dies ist so drastisch und vor allem so einseitig auf das Pornographieverständnis der islamischen Mehrheit orientiert, daß Bürgerrechtsgruppen, Künstler und Angehörige von ethnischen und religiösen Minderheiten um ihre bürgerlichen Freiheiten fürchten. Das indonesische Verfassungsgericht hat nun bekräftigt, daß dieses Gesetz verfassungsgemäß sei; es dürfe allerdings nicht gegen ethnische Bräuche sowie künstlerische Ausdrucksformen wie Tanzen angewandt werden. Genau dies ist allerdings in der letzten Zeit der Fall gewesen.