In der Wochenendausgabe der FAZ vom 24.10.2009 berichtet der Schriftsteller Hans Christoph Buch über ein halbes Jahr, das er auf Einladung des „Stadtkomitees für spirituelle Zivilisation“ als Writer in Residence in Hangzhou 杭州 verbracht hat. Nun ist Hangzhou sicher eine der schönsten Städte Chinas, aber Buch berichtet nur über deprimierende Erlebnisse mit Kulturfunktionären, Spitzeln und geschäftstüchtigen Literaten. Ein Ausflug nach Nanjing aber bringt ihm die Gelegenheit zum Besuch in der dortigen Gedenkstätte für das Nanjing-Massaker von 1937. Derselbe Buch, der eben noch so kritisch über seine Gastgeber geschrieben hat, wird nun zum Gefangenen des Systems, das er zu verstehen geglaubt hatte: „Spätestens hier holte mich Chinas tragische Geschichte ein … Meine chinesischen Freunde [!] hatten Tränen in den Augen und wollten wissen, warum das Massaker in Japan bis heute geleugnet wird“.
Ein interessanter Beleg dafür, daß weder Recht noch Religion, sondern die vermeintlich objektive Geschichte in der chinesischen Weltsicht die Instanz der Moral vertreten; und zwar so effektiv und intensiv, daß dem deutschen Schriftsteller sogar die Spitzel zu Freunden werden.